Die langen Schatten des Ersten Weltkriegs – Teil 3 | Von Wolfgang Effenberger
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vor 3 Monaten
Teil 3: Diplomatische Winkelzüge pflastern den Weg in den Krieg
Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
Nach den lärmend-ungestümen russisch-französischen Feiern in
Petersburg beschleunigte sich die Fahrt in den Abgrund. Am 23.
Juli 1914, dem Tag der Abreise des französischen
Staatspräsidenten Poincaré und seines Ministerpräsidenten Viviani
aus Petersburg, übergab um 18:00 Uhr der österreichische Gesandte
Freiherr Wladimir Giesl von Gieslingen in Belgrad eine auf 48
Stunden befristete diplomatische Depesche mit 10 Punkten. Darin
forderte Österreich-Ungarn von Serbien, alle
serbisch-nationalistischen Aktivitäten sofort zu beenden und die
Verantwortlichen des Attentats konsequent zu verfolgen. Am
brisantesten waren die Punkte 5 und 6. Darin wurde gefordert,
dass „…in Serbien Organe der K. u. K. Regierung bei der
Unterdrückung der gegen die territoriale Integrität der Monarchie
gerichteten subversiven Bewegung mitwirken“ (5) und in (6) „…eine
gerichtliche Untersuchung gegen jene Teilnehmer des Komplottes
vom 28. Juni einzuleiten, die sich auf serbischem Territorium
befinden; von der K. u. K. Regierung hierzu delegierte Organe
wurden an den diesbezüglichen Erhebungen teilnehmen“.(1)
In einer Beilage wurden die Untersuchungsergebnisse der
österreichischen Ermittlungsbehörden dem Ultimatum beigefügt: Die
Pistolen und Bomben, deren sich die Verbrecher als Werkzeuge
bedienten, entstammten einem serbischen Waffendepot, der ganze
Plan sei in Belgrad unter Beihilfe von Major Vojislav Tankosić
ausgeheckt worden, und Milan Ciganović habe in der Nähe von
Belgrad die Mörder in der Handhabung der Granaten und Pistolen
unterwiesen. Die Einschleusung der gedungenen Mörder sei mithilfe
der serbischen Grenzhauptleute und Zollorgane organisiert
worden.
Die deutsche Regierung reagierte unmittelbar und ließ sofort in
Petersburg, Paris und London erklären, sie wünsche dringend eine
Lokalisierung des Konflikts zwischen Österreich-Ungarn und
Serbien, da jede Intervention einer anderen Macht infolge der
verschiedenen Bündnisverpflichtungen unberechenbare Folgen
herbeiführen könne.
Ehe am Nachmittag des 24. Juli 1914 der russische Ministerrat
tagte, fand in der französischen Botschaft eine Absprache
zwischen Sergej Sasonow (RUS), Maurice Paléologue (F) und William
Buchanan (GB) statt - ein ungewöhnlicher Vorgang! Der Ministerrat
befasste sich dann in erster Linie mit der Frage, ob die innere
Lage Russlands den Krieg gestatte. Diese Frage wurde anscheinend
bejaht...
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