Rita Bullwinkel: Headshot: A Novel

Rita Bullwinkel: Headshot: A Novel

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Beschreibung

vor 1 Monat

Liebe Leserinnen und Leser,


manche Kreise sind groß und schließen sich nach 15 Jahren, wenn
auch auf einer höheren Ebene (denn wir wollen nicht denken, dass
es mit uns bergab geht, sondern dass wir gelebt und gelernt haben
und besser sind): damals stellte ich bei Studio B eine wunderbare
Sammlung von großartigen Reportagen von A.J. Liebling über das
Boxen vor, die zwischen 1951 und 1955 entstanden und damals im
renommierten New Yorker erschienen, bevor sie 2009 im Berenberg
Verlag als Sammlung "Die artige Kunst" ins Deutsche übertragen
wurden.


Sommerzeit ist Lesezeit, da sind hier gleich mal 2 Empfehlungen,
von ganzem Herzen, ohne jede Einschränkung, auch wenn das Sujet
den Leserinnen und Lesern bis heute vielleicht nicht das
Interessanteste oder Wichtigste schien. Ernsthaft.


Während A. J. Liebling Boxkämpfe sah, während sie geschahen und
das Fernsehen für den Niedergang dieser neben dem Ringen ältesten
Form des Zweikampfes verantwortlich machte, schreibt Rita
Bullwinkel in ihrer Debütnovelle "Headshot" - im Deutschen
"Schlaglicht" - auf schmalen 250 Seiten über ein fiktives
Sportereignis, das im Amateurboxen der Frauen angesiedelt ist.


Gekämpft wird im "Daughters of America Cup", in dem
Amateurboxerinnen bis 18 Jahre antreten dürfen, Handlungsort ist
Bob’s Boxing Palace in Reno, Nevada. "Headshot" behandelt die im
"Töchter Amerikas Cup" ab dem Viertelfinale ausgetragenen Kämpfe.


Viertelfinale bedeutet (wir kennen die Zählweise aus anderen
Sportarten), dass noch 8 Sportlerinnen im Rennen um die Trophäe
sind, und jeweils die Siegerin der Partie gegen eine andere
Siegerin gelost wird.


Die Kämpfe bilden die Gliederung für das Buch, die jeweils mit
den Namen der angetretenen Kontrahentinnen betitelt sind.


Am ersten Tag finden die Viertelfinale statt, es folgen 2
Kapitel, die mit "Nacht" und "Tiefe Nacht" überschrieben sind,
bevor am nächsten Tag die beiden Halbfinalkämpfe und das Finale
ausgetragen werden.


Was die Autorin hier in schlichter Prosa zusammenfügt, ist
großartig: sie zeigt - und die Auflistung bedeutet keine Wertung



die Körperlichkeit des Boxens und was es für die jungen
Boxerinnen bedeutet; 


warum sie Boxen;


wodurch ihre Wahl für diesen Kampfsport bestimmt wurde;


wofür sie boxen.


Rita Bullwinkel zeigt die wenig glamourösen Umstände des Turniers
im Nirgendwo, dessen Ort gewählt wurde, weil er angeblich "in der
Mitte des Landes" läge.


Dem Ort - Bob’s Boxing Palace - wohnt eine tiefe Traurigkeit
inne, und "Headshot" zeigt, dass das Amateurboxen für Frauen
keine Sportart ist, die in reichen Familien eine Möglichkeit der
Freizeitgestaltung für junge weibliche Teenager ist.


Neben den detaillierten Beschreibungen der Kämpfe finden sich
Rückblicke, aber auch Sprünge in die Zukunft. Wir erfahren viel
über die Umstände der Protagonistinnen, die sich teilweise vorher
kennen, teilweise nicht. Wir lesen, wie ihre Geschichten
individuell sind, wie ihre Familien unterschiedliche Haltungen
zum Boxen einnehmen, und die einzelnen Teenager unterstützen oder
eben auch nicht.


Was das Boxen für die Einzelne bedeutet, ist dabei teilweise
allgemeingültig: es gibt den jungen Teenagern eine Kontrolle über
ihren Körper, teilweise aber eben auch sehr individuell, wenn
Eine die Familientradition fortführen muss oder eine andere über
ein ertrunkenes Kind sinniert, dass unter ihrer Aufsicht im
örtlichen Schwimmbad ertrunken ist.


Dabei entfaltet "Headshot" von Anfang an eine Faszination, die
auch durch Rita Bullwinkels Witze, seien sie inhaltlicher oder
sprachlicher Natur bestimmt wird.


Was die Heldinnen von Headshot, Andi Taylor, Artemis Victor, Kate
Heffer, Rachel Doricko, Iggy Lang, Izzy Lang, Rose Mueller und
Tania Maw erkämpfen, sind nicht nur Sieg oder Niederlage, sondern
ihr Platz in der Gesellschaft, der - durch die Rück- und
Ausblicke gezeigt - weit über den jeweiligen Boxkampf
hinausgeht. 


Was "Headshot" überhaupt nicht verhandelt, ist, ob es überhaupt
ok ist, dass junge Frauen boxen. Warum auch. 


"Headshot" von Rita Bullwinkel wurde für den Booker Prize 2024
nominiert, dies nur als Information für diejenigen, die ihre
Lektüre durch so etwas beeinflussen lassen (was ich nicht
verurteilen würde, irgendwie muss man ja auswählen), aber wenn
ihr euch durch die Rezensionen bei Studio B beeinflussen lasst:
Lest dieses Buch!


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