Forschung praktisch: Wie hängen Cannabiskonsum und Psychose zusammen?

Forschung praktisch: Wie hängen Cannabiskonsum und Psychose zusammen?

8 Minuten

Beschreibung

vor 1 Monat

In der Studie von Marta Di Forti et. al. (2019) wurden bestimmte
Konsumgewohnheiten von Cannabis identifiziert, die besonders
risikoreich für die Entstehung einer Psychose waren. Die
Ausprägung dieser Konsumgewohnheiten wurde europaweit in der
Bevölkerung gemessen, um sie anschließend mit der
Psychose-Inzidenz in Beziehung zu setzen.


Die Forscher dieser Studie erhoben zwischen 2010 und 2015 Daten
über das Psychoseauftreten sowie über die Konsumgewohnheiten zu
Cannabis an 11 verschiedenen Standorten, darunter 10 europäische
Städte. Verglichen wurden Menschen mit erstmaliger Psychose
(18-64 J.) mit einer Kontrollgruppe von Personen, die nie an
einer Psychose erkrankt waren.


Daten zu der Konzentration von THC in den verschiedenen
verfügbaren Cannabissorten wurden der Europäische
Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht und zusätzlich aus
nationalen Datenbanken der jeweiligen Länder entnommen.
Anschließend wurden alle Sorten anhand ihrer THC-Konzentration in
2 Gruppen unterteilt (niedrigpotentes Cannabis mit einem
THC-Gehalt unter 10% und hochpotentes Cannabis mit einem
THC-Gehalt ≥10%). Außerdem wurden weitere Konsumgewohnheiten wie
die Häufigkeit des Konsums erhoben.


Statistische Berechnungen lieferten ein Maß dafür, wie stark eine
bestimmte Konsumgewohnheit von Cannabis mit der Entstehung einer
Psychose zusammenhängt. So wurden die risikoreichsten
Konsumgewohnheiten berechnet. Außerdem wurden die sog. Population
Attributable Fractions (kurz: PAF) berechnet. Diese geben an,
welcher prozentuale Anteil am Auftreten einer Krankheit (hier:
die erstmalige Psychose) auf den Risikofaktor (hier: die
bestimmte Konsumgewohnheit) zurückzuführen ist. Für die
Berechnung der PAF wird ein Kausalzusammenhang angenommen, der
jedoch hypothetisch ist.


Zuletzt wurden Berechnungen zum Zusammenhang zwischen
Konsumgewohnheiten und der Psychose-Inzidenz durchgeführt.


Ergebnisse:


Aus den 11 Standorten wurden Daten von 901 Patienten mit
erstmaliger Psychose und Daten von 1237 Kontrollpersonen
gewonnen. Betroffene hatten öfter zum Zeitpunkt der Befragung
Cannabis konsumiert, sie konsumierten auch öfter mehr als einmal
pro Woche, öfter jeden Tag und öfter hochpotenten Cannabis im
Vergleich zu Kontrollpersonen.


Die Berechnungen ergaben, dass der tägliche Konsum und der Konsum
von hochpotentem Cannabis (sowie deren Kombination: der tägliche
Konsum von hochpotentem Cannabis) am risikoreichsten für die
Entstehung einer Psychose waren. Das Risiko beim täglichen Konsum
war 3,2-fach erhöht und beim Konsum von hochpotentem Cannabis
1,6-fach höher als bei abstinenten Personen. Der tägliche Konsum
hochpotenter Sorten führte im Mittel zu einem etwa 4-fachen
Risiko, an einer Psychose zu erkranken. Spezifisch für London
stieg dieses Risiko um ca. das 5-fache und im Amsterdam um etwa
das 9-fache an.


(Im Folgenden sind die Prozentualen Angaben gerundet.)


Die Berechnung der PAF ergab, dass 20% der neuen
Psychoseerkrankungen auf den täglichen Cannabiskonsum
zurückzuführen sind. Spezifisch für London lag dieser Wert bei
21%, in Amsterdam bei 44% und in Palermo bei 6%. Bezogen auf den
Konsum von hochpotentem Cannabis ergaben die PAF in London, dass
hier 30% und in Amsterdam 50% der neuen Psychosefälle auf diesen
zurückzuführen sind. Umgekehrt bedeutet dies: Wenn in Amsterdam
der hochpotente Cannabis nicht mehr verfügbar wäre, dann wären
die Hälfte der neuen Psychoseerkrankungen nicht aufgetreten. Für
diese Berechnungen musste jedoch, wie oben bereits erwähnt, ein
Kausalzusammenhang angenommen werden.


Das wichtigste Ergebnis war, dass die Prävalenz der
Konsumgewohnheiten in der Bevölkerung mit der Psychoseinzidenz
korreliert. Die Standorte mit der größten Prävalenz beider
Konsumgewohnheiten hatten auch die größte Psychose-Inzidenz und
umgekehrt. Die Prävalenz der Konsumgewohnheit und die
Psychose-Inzidenz verändern sich gemeinsam. Die größten
Ausprägungen der Konsumgewohnheiten und Psychose-Inzidenzen waren
in Amsterdam, London und Paris zu verzeichnen.


Schlussfolgerungen:


Marta Di Forti und ihr Team fordern, dem Cannabiskonsum eine
erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen, da die Verfügbarkeit des
hochpotenten Cannabis tendenziell zunimmt und dies Fragen bzw.
Risiken für die öffentliche Gesundheit aufwirft.


Quelle:


Di Forti, M., Quattrone D., Freeman T.P., Tripoli G. et. Al.
(2019). The contribution of cannabis use to variation in the
incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI): a
multicentric case-control study. Lancet Psychiatry, 6(5),
427-436. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(19)30048-3


00:00 Disclaimer 00:41 Einleitung 01:31 Forschungsziel der Studie
02:02 Was ist Inzidenz? 02:20 Einteilung von Cannabis 02:59
Beteiligte Personen 03:22 Unterschiede zwischen Betroffenen und
Nicht-Betroffenen 03:46 Berechnung der risikoreichsten
Konsumgewohnheiten 04:44 Der Zusammenhang von Konsumgewohnheit
und Psychose-Inzidenz 05:38 Beispiele 06:25 Achtung: Kein
Kausalzusammenhang! 06:51 Vermutung und Interpretation 07:20
Ausblick & Outro

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