Die langen Schatten des Ersten Weltkriegs – Teil 6 | Von Wolfgang Effenberger
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vor 2 Monaten
Teil 6: Kritische Stimmen aus Großbritannien
Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.
1897 - zwei Jahre vor Beginn des barbarischen Zweiten Burenkriegs
der Briten (Lord Milner´s War) - hielt der deutsche Außenminister
und spätere Kanzler Bernhard von Bülow seine berühmte, aber oft
auch verkürzt wiedergegebene Rede im Reichstag.
Wohl in Anspielung an die Ergebnisse des 1. Dreißigjährigen
Kriegs (1618-1648) (1) hob er in dieser Rede hervor:
„…Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde
überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel
reserviert, wo die reine Doktrin thront […] - diese Zeiten sich
vorüber. Wir betrachten es als eine unserer vornehmsten Aufgaben,
gerade in Ostasien die Interessen unserer Schifffahrt, unseres
Handels und unserer Industrie zu fördern und zu pflegen. […] Wir
müssen verlangen, dass der deutsche Missionär und der deutsche
Unternehmer, die deutschen Waren, die deutsche Flagge und das
deutsche Schiff in China geradeso geachtet werden, wie diejenigen
anderer Mächte. […] Wir sind endlich gern bereit, in Ostasien den
Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren
Voraussicht, dass unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen
gebührende Würdigung finden. […] Mit einem Worte: Wir wollen
niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren
Platz an der Sonne. […] In Ostasien wie in Westindien werden wir
bestrebt sein, getreu den Überlieferungen der deutschen Politik,
ohne unnötige Schärfe, aber auch ohne Schwäche unsere Rechte und
unsere Interessen zu wahren“.(2)
Das musste in London als Kampfansage gewertet werden. Hatte das
Empire doch in der Mitte des 19. Jahrhunderts in China 2
ausgewachsene Opiumkriege geführt. Ausgelöst wurden sie durch den
Umstand, dass Großbritannien zwar Tee, Seide und Porzellan aus
China importierte, umgekehrt aber kaum britische Waren
nachgefragt wurden. Um dem einseitigen Abfluss von Devisen
beizukommen, ließen die Briten - v.a. gesteuert durch die East
India Company - in Indien Opium anbauen und verkauften es in
China. Das war verboten, lohnte sich aber trotzdem - bis der
chinesische Kaiser intervenierte. Im Selbstverständnis beider
Nationen wirkt das bis heute nach. In Großbritannien verträgt
sich der Anspruch, als Kolonialmacht vor allem Zivilisation
verbreitet zu haben, schlecht mit der Förderung des Drogenhandels
- in China zählen die Opiumkriege wegen der Zugeständnisse an die
Briten zum „Jahrhundert der nationalen Schande“.(3)
Um die Frage nach den Hauptinitiatoren des Ersten Weltkriegs
beantworten zu können, so lehrt uns jeder Krimi, muss man als
Erstes nach möglichen "Motiven" Ausschau halten und darauf
achten, wer auf wen mit dem Finger zeigt, um dann alle Fakten zu
analysieren und schließlich die Mosaiksteine zusammenzusetzen.
Bezieht sich die Eingangsfrage nun darauf, wem die Schuld am
Ersten Weltkrieg zuzuweisen ist, sind die Motive nicht leicht zu
erkennen, da sie durch die Propaganda äußerst geschickt
verschleiert wurden. Denn die britischen Kriegsplaner hatten aus
ihrem verlustreichen Zweiten Burenkrieg (1899-1902) gelernt, dass
ein Krieg auch an der Propagandafront gewonnen werden muss. Und
dafür ist es einerseits wichtig, dass nach außen hin der Gegner
als Angreifer dasteht und andererseits, dass der Angriff
tatsächlich überraschend kommt.
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