Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel: Man muss Entscheidungen treffen!
18 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Jahren
Wir alle bedauern den Niedergang der deutschen Kaffeehauskultur.
Eine schwerwiegende Entscheidung hatte 2019 Dr. Gabriele
Kahlert-Dunkel in Münster zu treffen. Nach 169-jähriger
Geschichte schloss sie endgültig das Café Grotemeyer – eine echte
Institution in der Westfalenmetropole. Ein schwerer Gang.
Seit Jahrzehnten schon ist die promovierte Dipl.
Psychologin eine bekannte Geschäftsfrau in Münster. Genau deshalb
ist sie auch Gründungsmitglied und 2. Vorsitzende vom BPW Club
Münster, einem internationalen Verband berufstätiger Frauen. Auch
ist sie Ehrenmitglied und war langjährige 1. Vorsitzende von
„Frauen & Unternehmen“ – einem Netzwerk selbstständiger
Frauen in der Region.
Vita
1950 in Münster geboren
Diplom in Psychologie (Hamburg) Promotion zum Dr. rer. medic.
(Münster und Hamburg)
1986 Eintritt in das Familienunternehmen Café und Konditorei
Grotemeyer seit 1850
Seit 2000 geschäftsführende Gesellschafterin der Café Grotemeyer
GmbH und Co.KG
Wie darf ich Sie vorstellen?
Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, dann wäre ich noch
die „Café Frau“ gewesen. Heute bin ich Buch-Autorin. Nach der
Schließung unseres 169 Jahre alten Traditionscafés im Frühjahr
2019, habe ich nämlich zusammen mit Dorothée und Michael
Kerstiens ein Buch über unser bekanntes Kaffeehaus geschrieben.
Das war meine Form der Vergangenheitsbewältigung und ein so
großer Erfolg, dass ich sagen würde: wer weiß, was sich daraus
noch entwickelt.
Ihr Lebensmotto?
Meine Lebensmotti ändern sich immer wieder mal. Ein Motto ist:
wenn Dir das Wasser bis zum Halse steht, darfst Du den Kopf nicht
hängen lassen. Das hatte ich auch schon mal. Was mir als Kind
schon geholfen hat und bis heute in neuen Situationen geht, ist
ein Stoßgebet: „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den
Himmel komm“. Das „fromm“ kann dann vieles heißen: mach
mich mutig, mach mich geduldig, mach mich überlegen usw. – eben
alles, was man braucht, damit es gut ausgeht.
In jeder starken Frau steckt bekanntlich auch eine
Schwäche. Was hat Sie zur starken Frau gemacht?
Ich glaube das ist Lebenserfahrung – aber es kommt auch Vieles
zusammen. Ich hatte das Glück, dass sowohl meine Mutter wie auch
meine Großmutter sehr starke Frauen waren. Damit gab es schon mal
ein Modell. Mein Großvater war der letzte Konditormeister in der
Grotemeyer Familie. Meine Großmutter hat da schon als
„Nicht-Fachfrau“ das Café geführt. Von ihr habe ich viel gelernt.
Sie hat mir auch die Liebe zu Kaffeehäusern beigebracht. Meine
Mutter erbte das Café eines Tages und führte es weiter. Ich habe
dann die Fackel weitergetragen.
Was war für Sie bislang Ihre größte
Herausforderung?
Das war ganz klar die Entscheidung, das Café nach 169 Jahren
endgültig zu schließen. Das war schon eine schwere Entscheidung
und große Herausforderung.
Was haben Sie daraus gelernt?
Was ich nicht geglaubt habe, ist das der „blöde“ Spruch: „Wenn
sich eine Tür schließt, öffnen sich zwei andere“ tatsächlich
stimmt. Dadurch, dass wir zu Dritt die Idee hatten, das Buch über
das Café Grotemeyer, seine Geschichte, den Maler Fritz Grotemeyer
zu schreiben und Traditions-Rezepte erstmalig zu veröffentlichen,
haben sich für mich völlig neue Türen geöffnet.
Wann hatten Sie in Ihrem Leben die größten
Selbstzweifel?
Die Erfahrung das Kaffee zu schließen überschattet noch immer
alles. Ich hatte große Selbstzweifel, ob ich die Schließung
mache, wie ich es mache und ob es die richtige Entscheidung ist.
Diese Entscheidungsfindung dauerte Jahre. Ich habe das Café viele
Jahre gemeinsam mit meinem Bruder betrieben und wir waren
festentschlossen, das Café weiterzuführen. Als dieser 2015 starb
stellte sich erstmals die Frage: wie soll es weitergehen?
Schließlich werde ich immer älter.
Für welche Lebenserfahrung sind Sie dankbar?
Ich würde sagen meine Studienzeit und die Zeit danach. Das war
die Zeit während des Psychologiestudiums und während meiner
Promotion in der Kinderklinik, wo ich mit lebensbedrohlich
kranken Kindern gearbeitet habe. Nach dem Ende der Studienzeit
hatte ich mit meinem Mann zwei Jahre eine sehr sorgenfreie Zeit
in Kanada. Daraus schöpfe ich noch heute Kraft. Ich bedaure unter
welchem großen Druck Studenten jetzt häufig stehen.
Wie gehen Sie mit dem Thema „Finanzen“ um?
Frauen und Finanzen – da ist sicher ein hoher Nachholbedarf. Ich
persönlich bin kein gutes Vorbild,
Die Finanzen an sich sind mir nicht so wichtig. Es ging mir immer
um andere Werte als Geld, zudem ich eigentlich kein Verhältnis
habe. Das, was ich geerbt habe, zu erhalten und zu bewahren war
meine größte Aufgabe und auch Herausforderung.
Wissen Sie wieviel Sie mit 65 im Portemonnaie haben
werden?
Da ich älter als 65 bin, falle ich etwas aus dieser Altersklasse
raus. Ich wusste es mit 65 nicht – ich wusste aber, dass es kein
Problem ist. Das war eine glückliche Fügung.
Was können andere Frauen von Ihnen lernen!
Das ist ganz klar: dranzubleiben, wenn man Ziele hat! Ziele auch
verfolgen und bereit sein, dafür Umwege zu gehen. Ich muss bereit
sein zu sagen: das nehme ich mir vor / möchte ich machen. Und das
Steuer festhalten, auch wenn der Wind mal etwas härter
bläst.
Was machen starke Frauen besser als Männer?
Ich glaube, dass Frauen besser unabhängig agieren können. Sie
sind nicht so abhängig davon einen starken Mann an ihrer Seite zu
haben. Das ist bei Männern anders – jeder erfolgreiche Mann hat
eine starke Frau im Rücken. Frauen sind bereit auch mal die
Komfortzone zu verlassen – das tun Männer nicht so gerne.
Wie gehen Sie mit dem Thema „älter werden“ um?
Ich mache mir schon Sorgen. Für mich ist es enorm wichtig ein
selbstbestimmtes Leben zu führen. Das habe ich schon von meiner
Großmutter gelernt. Durch das älter und gebrechlich werden,
könnte ich auf fremde Hilfe angewiesen sein. Das macht mir schon
Sorgen. Für mich hat die Schließung des Cafés ja auch etwas mit
älter werden zu tun. Ich habe immer gesagt: ich kann nur
abspringen, wenn ich auch noch springen kann. Das habe ich bei
meiner Mutter und Großmutter erlebt, dass sie an manchen Stellen
den Absprung nicht geschafft haben, weil sie einfach zu alt
waren.
Was ist das Geheimnis Ihrer Schönheit?
Weiß ich nicht! Ich weiß nur, dass ich jeden Morgen länger im
Badezimmer brauche. Lach.
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