Kriegstüchtig und verhaltensgestört | Von Roberto J. De Lapuente

Kriegstüchtig und verhaltensgestört | Von Roberto J. De Lapuente

12 Minuten

Beschreibung

vor 2 Monaten

Der Spalt, der zwischen Kriegsbereiten und Friedensbefürwortern
entstanden ist, basiert auf einer Fähigkeit, die die einen haben
und die anderen nicht: Einfühlungsvermögen.


Der neue britische Premierminister Keir Starmer besuchte letzte
Woche das Weiße Haus. Nicht einfach nur so, um sich vorzustellen.
Nein, er wollte dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden noch
etwas abringen: die Erlaubnis, den Ukrainern den Einsatz
britischer Langstreckenraketen auf russischem Boden erlauben zu
dürfen. Man sieht an dieser Geschichte ohne viel Fachwissen recht
deutlich, wie die Hierarchie im NATO-Westen aufgestellt ist: Die
Briten fragen die Amerikaner, die Ukrainer die Briten. Starmers
Betreiben wurde in den Medien als Marginalie vorgestellt — häufig
fand es nicht mal Erwähnung. Dabei wäre ein Einsatz westlicher
Langstreckenraketen in diesem noch beschränkten Krieg der
endgültige Kriegseintritt des Westens. Der russische Präsident
hat das bereits so formuliert — und in Aussicht gestellt, seine
Atomdoktrin zu lockern.


Ein Kommentar von Roberto J. De Lapuente.


Die Gespräche in Washington wären eigentlich eine Topmeldung wert
gewesen. Aber in Deutschland kamen sie nur als Meldung unter
vielen vor. Ist denn der Versuch, einem dritten Weltkrieg
endgültig in die Knobelbecher zu helfen, nicht gar eine
Jahrhundertnachricht? Offenbar nicht. Nicht in Deutschland — denn
der Frieden bewegt die Menschen ja nicht, wie wir seit dem
letzten Wahlabend in Sachsen und Thüringen wissen,
als ARD und ZDF unisono behaupteten, dass die
Sorgen vor einem sich auswachsenden Krieg das Wahlergebnis auf
keinen Fall bestimmt haben. Das wiederholte man so zwanghaft,
dass einem schnell dämmerte: Hier wird was kleingeredet, was
recht groß im Raum steht.


Was Krieg ist


Während der Bundeskanzler plötzlich für einen Moment wie ein
Friedensbringer spricht und Verhandlungen für möglich erklärt,
machte sein Verteidigungsminister vor einigen Tagen klar, dass
westliche Waffen, die in Moskau einschlagen, völkerrechtlich
unbedenklich seien. Über Krieg und die Bereitschaft, endlich auch
kriegstüchtig zu sein, sprechen in diesem Lande etliche so, als
handle es sich um die profane Frage, ob man nun am kommenden
Samstag der Einladung der Nachbarn zum Grillabend folgen soll
oder man doch lieber fernbleibt. Das Wort „Krieg“ nehmen viele in
den Mund, wie andere das Wort „Sonnenschein“. Zwischen Tür und
Angel wird die Kriegsbereitschaft beschworen — ganz lapidar und
nebenbei. Als sei es die normalste Sache der Welt.


Der Krieg wird angeführt wie ein steriler Topos, ein Ort, der
einer gewissen Kontrolle unterliegt — den man zwar aufgezwungen
bekommt, der aber auch wieder vorbeigeht: Dann kämpft man eben.
Wenn es sein muss, dann muss es halt sein! Dieser Fatalismus
blendet aus, was Krieg im Kern seines Wesens ist. Klar, man kann
sich sicher vorstellen, dass man in einem Krieg einige Tote sehen
wird. Vielleicht wird jemand, der an meiner Seite kämpft, auch
vor meinen eigenen Augen erschossen. Ausschließen kann man das
natürlich nicht. Selbst diese Vorstellung ist noch zu steril, zu
sauber und hygienisch — wie ein Krimi aus den Fünfzigern, in
denen gemeuchelte Leichen seltsam lebendig und frei von Blut
drapiert wurden...


... hier weiterlesen:
https://apolut.net/kriegstuechtig-und-verhaltensgestoert-von-roberto-j-de-lapuente


+++


Dieser Beitrag erschien zuerst am 18. September 2024 bei
manowa.news


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Bildquelle: fran_kie / shutterstock





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