"Ein Stein" – Im Taj Mahal - Kurzgeschichte von Uwe Kullnick
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vor 1 Monat
"Ein Stein" – Im Taj Mahal - Kurzgeschichte von Uwe
Kullnick
10 Tage nach 9/11 war ich auf Geschäftsreise in Indien, genauer
in Neu Delhi. Fast niemand flog zu der Zeit, so kurz nach den
Attentaten auf das World Trade Center. Der Flugverkehr war
weltweit um ca. 80 % gesunken.
Ich fuhr allein mit einem Mietwagen mit Chauffeur zum Taj
Mahal. Kurz vor dem Ziel stieg, wie verabredet, ein Führer ins
Auto. Er hatte einen langen Schirm dabei. Es war keine
"Regenzeit" und ich fragte ihn warum er diesen Schirm mit sich
herumschleppte. Demonstrativ überhörte meine Frage.
Gegen 11:00 Uhr kamen wir am Taj Mahal an. Es war außer uns war
niemand auf dem riesigen Parkplatz, auch kein Bus. Überhaupt
schien niemand hier zu sein.
Do dann kamen Sie. Unzählige Menschen stürmten aus den vorher wie
leerstehenden Baracken auf uns ein. Der Führer stellte sich vor
mich und hielt den Schirm quer vor seine Brust, rief mir zu, mich
an ihm festzuhalten und so pflügten wir uns den kurzen Weg bis
zum Eingang des Grabmalbezirks. Die Menschen wollten uns nichts
Böses, sie wollten, dass wir etwas kauften. Kleine Dinge, Bilder,
Schals, billigen Schmuck, etwas kleines zu essen. Wir hätten
dutzende Führer engagieren können. Alle versuchten verzweifelt
einige Rupies zu verdienen Es war, als hätten sie hungrig auf
Nahrung gewartet. Unser Führer rief ihnen die ganze Zeit etwa zu
und wehrte die Männer und Frauen mit dem Schirm von mir ab. Es
waren ganz schnell hunderte Menschen und der Zulauf wurde immer
größer. Der Führer wurde immer hektischer. Er schrie die Menschen
an und wir fingen an zu laufen, so schnell es eben bei der sich
uns entgegenstemmenden Menge ging. Sie hätten uns ganz leicht
stoppen können. Aber sie taten es nicht. Sie liefen mit uns mit.
Dann erreichten wir die Pforte und uniformierte Leute schoben die
Absperrungen beiseite und wir konnten hinein. Sofort wurde es
still.
Mein Führer lachte unecht und versicherte, es sei nun alles ok
und er würde hier auf mich warten, bis wir zurückfahren wollten.
Ich fragte, was er den Menschen zugerufen hätte. Er zögerte, dann
sagte er leise. "Der Sahib kauft auf dem Rückweg etwas. Ganz
bestimmt."
"Ist das hier immer so?, fragte ich.
"Nein."
"Warum denn jetzt", war meine naive Nachfrage.
"Seit 9/11 kommen täglich vielleicht 10 Besucher. – Normalerweise
sind es Tausende."
Es waren tatsächlich nur eine Handvoll Menschen auf dem Gelände
und meine Gedanken waren immer wieder bei der draußen wartenden
Menge.
Bevor ich zurückfuhr, setzte ich mich auf eine Bank direkt vor
dem Taj Mahal und schrieb eine kleine Geschichte. Jemand machte
ein Foto von mir vor dem fast menschenleeren Grabmal der Mum Taj
Mahal.
Auf dem Weg zum Auto kaufte ich einige Schals, und kleinere
Souvenirs, sowie ein Schachspiel aus Marmor. Dabei war ich immer
umgeben von Dutzenden von Menschen, die mir ihre Waren anboten.
Es war gespenstisch und ich habe mich auf meinen Reisen selten
wieder so übermäßig privilegiert gefühlt wie an jenem Tag am Taj
Mahal.
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