Johann Gottfried Herder: Bestimmt Sprache unsere Wirklichkeit?
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vor 1 Monat
Für Johann Gottfried Herder (1744–1803) war die Sprache das
herausragende menschliche Kulturerzeugnis. In der Sprache
verdichtet sich die Weltwahrnehmung des Menschen – eine Einsicht,
die bis heute revolutionäre Konsequenzen hat… Die deutsch-türkische
Autorin Kübra Gümüşay berichtet in ihrem Buch «Sprache und Sein»
von einer nächtlichen Begebenheit am Meer: Ihre Großmutter macht
sie auf das wunderschöne «Yakamos» aufmerksam – aber sie kann im
Dunkel der Nacht nichts erkennen. Erst als ihr die Mutter erklärt,
dass dieser türkische Ausdruck die Wiederspiegelung des Mondlichtes
im Meer bezeichnet, erblickt sie das entsprechende Phänomen. Und
ein folgenschwereres Beispiel: Die Etablierung des Begriffs der
«sexuellen Belästigung» war offenbar entscheidend, um weitreichende
Erfahrungen von Frauen auf einen Begriff zu bringen. Erst als es
ein Wort dafür gab, wurde das Unbehagen, der Ekel, die Angst und
viele andere Gefühle aufgeschlossen, welche Frauen in übergriffigen
Begegnungen mit Männern empfanden, aber vorher nicht angemessen
verbalisieren konnten. In ihrem Buch geht Kübra Gümüşay dieser
eigenartigen Wechselbeziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit
nach – und verarbeitet dabei Einsichten, die sich bis auf den
Kulturphilosophen und Philologen Johann Gottfried Herder
zurückverfolgen lassen: Dieser sieht nämlich bereits, dass sich in
der Sprache die Lebenswelt der Sprechenden abbildet, bis hinein in
historische, biografische, soziale, geografische, klimatische und
viele andere Faktoren. Und mehr als das: Sprache – in Vokabular wie
auch Grammatik – lenkt umgekehrt auch die Wirklichkeitsauffassung
der Sprechenden, legt ihnen eine bestimmte Wahrnehmung der Welt
nahe. Diese Verbindung von Sprache, Weltwahrnehmung und
Wirklichkeit beschäftigt auch andere Philosophen seiner Gegenwart
und darauffolgender Zeiten: von Hamann (zu dessen Kritik an Kant
bereits eine mindmaps-Folge vorliegt) über Humboldt bis Nietzsche
und darüber hinaus wurde gerade im Namen der Sprachlichkeit unseres
Denkens auch Kritik an den rationalistischen Engführungen der
Aufklärung laut: zum einen ist die vielgerühmte «objektive
Vernunft» nicht anders zu haben als in Gestalt der konkreten,
historisch bedingten und darum gerade nicht universellen Sprache –
zum anderen ist der Mensch nicht nur ein Wesen der Vernunft,
sondern auch des Gefühls, des Willens, der Poesie und Musik und
vieler anderer Aspekte des Lebens, die sich nicht auf
Verstandesfunktionen reduzieren lassen. Sprache erschließt
Wirklichkeit: Manuel spricht mit Peter über die weitreichenden
Konsequenzen dieser Einsichten auch für heutige gesellschaftliche
und theologische Diskurse. Was bedeutet die eigene Verhaftung in
einer spezifischen Sprachwelt für theologische Ansprüche auf
Wahrheit? Und kommt nach dieser Logik den biblischen Sprachen und
insbesondere dem Hebräisch (dessen Geist auch das neutestamentliche
Griechisch noch atmet) eine einzigartige Bedeutung zu? Zugespitzt:
Ist Hebräisch die Sprache Gottes?
herausragende menschliche Kulturerzeugnis. In der Sprache
verdichtet sich die Weltwahrnehmung des Menschen – eine Einsicht,
die bis heute revolutionäre Konsequenzen hat… Die deutsch-türkische
Autorin Kübra Gümüşay berichtet in ihrem Buch «Sprache und Sein»
von einer nächtlichen Begebenheit am Meer: Ihre Großmutter macht
sie auf das wunderschöne «Yakamos» aufmerksam – aber sie kann im
Dunkel der Nacht nichts erkennen. Erst als ihr die Mutter erklärt,
dass dieser türkische Ausdruck die Wiederspiegelung des Mondlichtes
im Meer bezeichnet, erblickt sie das entsprechende Phänomen. Und
ein folgenschwereres Beispiel: Die Etablierung des Begriffs der
«sexuellen Belästigung» war offenbar entscheidend, um weitreichende
Erfahrungen von Frauen auf einen Begriff zu bringen. Erst als es
ein Wort dafür gab, wurde das Unbehagen, der Ekel, die Angst und
viele andere Gefühle aufgeschlossen, welche Frauen in übergriffigen
Begegnungen mit Männern empfanden, aber vorher nicht angemessen
verbalisieren konnten. In ihrem Buch geht Kübra Gümüşay dieser
eigenartigen Wechselbeziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit
nach – und verarbeitet dabei Einsichten, die sich bis auf den
Kulturphilosophen und Philologen Johann Gottfried Herder
zurückverfolgen lassen: Dieser sieht nämlich bereits, dass sich in
der Sprache die Lebenswelt der Sprechenden abbildet, bis hinein in
historische, biografische, soziale, geografische, klimatische und
viele andere Faktoren. Und mehr als das: Sprache – in Vokabular wie
auch Grammatik – lenkt umgekehrt auch die Wirklichkeitsauffassung
der Sprechenden, legt ihnen eine bestimmte Wahrnehmung der Welt
nahe. Diese Verbindung von Sprache, Weltwahrnehmung und
Wirklichkeit beschäftigt auch andere Philosophen seiner Gegenwart
und darauffolgender Zeiten: von Hamann (zu dessen Kritik an Kant
bereits eine mindmaps-Folge vorliegt) über Humboldt bis Nietzsche
und darüber hinaus wurde gerade im Namen der Sprachlichkeit unseres
Denkens auch Kritik an den rationalistischen Engführungen der
Aufklärung laut: zum einen ist die vielgerühmte «objektive
Vernunft» nicht anders zu haben als in Gestalt der konkreten,
historisch bedingten und darum gerade nicht universellen Sprache –
zum anderen ist der Mensch nicht nur ein Wesen der Vernunft,
sondern auch des Gefühls, des Willens, der Poesie und Musik und
vieler anderer Aspekte des Lebens, die sich nicht auf
Verstandesfunktionen reduzieren lassen. Sprache erschließt
Wirklichkeit: Manuel spricht mit Peter über die weitreichenden
Konsequenzen dieser Einsichten auch für heutige gesellschaftliche
und theologische Diskurse. Was bedeutet die eigene Verhaftung in
einer spezifischen Sprachwelt für theologische Ansprüche auf
Wahrheit? Und kommt nach dieser Logik den biblischen Sprachen und
insbesondere dem Hebräisch (dessen Geist auch das neutestamentliche
Griechisch noch atmet) eine einzigartige Bedeutung zu? Zugespitzt:
Ist Hebräisch die Sprache Gottes?
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