"Der arme Spielmann" (Franz Grillparzer) (Teil 2)

"Der arme Spielmann" (Franz Grillparzer) (Teil 2)

Eine Novelle aus dem Jahr 1847
54 Minuten
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Hochwertige Literatur, vorgelesen von professionellen Sprecherinnen und Sprechern

Beschreibung

vor 3 Wochen

Im zweiten Teil der Aufnahme kommen wir Hörer bald an den Kern
der Novelle, an das eigentlich Erschütternde. Und alles, was wir
hier hören, ist emotional bewegend. Jakobs Bescheidenheit, seine
Randständigkeit, sein Außenseitertum, seine schräge Art zu
musizieren, seine maßlose, rührende Verehrung der Tochter des
Lebensmittelhändlers, sein Unvermögen, sich ihr angemessen zu
nähern, seine Plumpheit, das Scheitern in der Liebe, der Verlust,
der Betrug, die harte Hand der Väter. Um für all das einen
Erzählraum zu ermöglichen, musste Grillparzer den Rahmenerzähler
einsetzen, der das Ganze zu leiten scheint, der Jakob Halt und
seiner Erzählung einen Rahmen gibt – so wird das Erzählte zum
Kunstwerk. Er „habe keine Geschichte“, sagt Jakob anfangs noch,
als der Rahmenerzähler ihn zum Erzählen zu animieren versucht.
Doch dann geschieht etwas in ihm und er bekommt „Lust zu
schwatzen“. Also hören wir seine Geschichte doch noch. Und die
hat es in sich. Was für ungeheure Szenen!


Wie im Begleittext zur ersten Folge erwähnt, war Franz
Grillparzer vor allem Dramatiker, also jemand, der Szenen
gestaltet. Das tut seiner Novelle „Der arme Spielmann“ gut, hier
gibt es einige, die dramatischer gar nicht sein könnten. Wenn
Jakob Barbaras hochgestreckten Körper sieht – „auf den
Zehenspitzen emporgerichtet, (…) mit erhobenen Händen, wie man
nach etwas sucht, auf einem der höheren Stellbretter
herumtastend“ – und sie dabei das Lied singt, das die beiden
verbindet, kann er nicht anders als sie „mit beiden Händen“ zu
umfassen. Es folgen eine Ohrfeige und dann – ein Streicheln und
ein Kuss auf die Wange. Ein hochgradig ambivalentes Verhalten.
Was nun? Er rennt ihr hinterher und gibt „ihr ihren Kuss heftig
zurück“, durch eine Glasscheibe. Anders ging’s nicht. Die kalte
Schwelle statt heißer Lippen. Dass schließlich Barbaras Vater die
Kuss/Glas-Szene beendet, wundert dann nicht mehr. So
psychologisch und symbolisch aufgeheizt ist die geschilderte
Lage. Und so mächtig sind Väter im 19. Jahrhundert noch.


„Der arme Spielmann“ ist ein Erzählwerk auf höchstem Niveau, in
dem mal wieder sehr deutlich wird, dass hochwertige Literatur
immer auch eine Kunst der Szenen, der Gesten und der unkitschig
dargestellten, klischeefreien Emotionen ist. Auch der zweite Teil
wird von Rose Lohmann vorgetragen. Zu hören, wie intensiv sie
sich gerade den vielen starken Szenen widmet, bis hin zum
tragischen Katastrophen-Ende der Novelle, ist ein Genuss.

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