Käthe Kollwitz: Wie viel Schmerz erträgt die Kunst?

Käthe Kollwitz: Wie viel Schmerz erträgt die Kunst?

Sie ist die wichtigste deutsche Künstlerin des 20. Jahrhunderts: Käthe Kollwitz. Aber weil sie sich den heiteren Themen verweigerte, muss sie bis heute kämpfen um ihren Platz im Olymp.
42 Minuten

Beschreibung

vor 1 Woche
An ihrer künstlerischen Begabung, ihrem Talent gab es von Anfang an
keinen Zweifel: Max Liebermann und Adolph Menzel, die beiden
berühmtesten deutschen Künstler der Jahrhundertwende, erkannten es
sofort und förderten sie. Dem deutschen Kaiser aber war sie zu
sozialkritisch – denn ihre erste berühmte Radierfolge bezog sich
auf  "Die Weber", Gerhart Hauptmanns legendäres Theaterstück,
das den Naturalismus begründete. Und wie Hauptmann zeigte auch
Kollwitz das Leid der Weber, ihren täglichen Kampf ums Überleben,
ihre gemarterten Körper. Dieses Dilemma begleitet die Kunst von
Käthe Kollwitz fortan ihr ganzes Leben lang – Begeisterung für
ihren genialen Umgang mit dem Stift und zugleich Ruhm und
Schmähungen dafür, dass sie ihre Kunst immer in den Dienst der
sozialen Sache stellte. Florian Illies und Giovanni di Lorenzo
erzählen in der neuesten Folge des Podcasts "Augen zu" vom Leben
und Wirken dieser außergewöhnlichen Frau, die von 1867 bis 1945
lebte. Wenn es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine
politische Künstlerin in Deutschland gab, dann sie: Sie zeigt in
ihren Zeichnungen und Druckgrafiken das Leid der Armen und Ärmsten,
die toten Augen der Witwen des Ersten Weltkrieges und die
ausgemergelten Leiber der hungernden Kinder der Weimarer Republik.
Sie arbeitete für die SPD und die KPD, entwarf Plakate gegen den
Krieg und gegen die soziale Ungerechtigkeit – und kämpfte voll
glühender Leidenschaft für eine gerechtere Welt.  Das
Schicksal selbst war ungerecht zu ihr – sie verlor im Ersten
Weltkrieg ihren Sohn und im Zweiten Weltkrieg ihren Enkel. Über das
Trauern hat sie nicht nur deshalb Werke von zeitloser Größe und
Würde geschaffen – eine dieser trauernden Mütter erinnert heute in
Berlin im Mahnmal Unter den Linden alle Zeit und alle Völker daran,
welch menschliches Leid jeder Krieg gebiert. Wie kaum jemand sonst
konnte sie mit ihrem Stift den menschlichen Körper und das
menschliche Antlitz eine Vielzahl existenzieller Gefühle ausdrücken
lassen, die Angst, den Schmerz, die Trauer, jede ihrer Figuren ist
also auf eine ganz eigene und dann doch auch wieder ganz allgemeine
Weise vom Leben gezeichnet. Und dass die Gestalten auf ihren
Blättern oft die markanten Gesichtszüge der Kollwitz selbst zeigen,
demonstriert, auf welch seltene Weise sie sich auf das Leid ihres
Gegenübers einlassen konnte – weil sie selbst in sich einen
Echoraum dafür hatte. Lob, Kritik, Anmerkungen? Schreiben Sie uns
gern an augenzu@zeit.de. [ANZEIGE] Mehr über die Angebote unserer
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