Follow the Rechtsstaat Folge 102
Niko Härting spricht mit Prof. Dr. Hans Peter Bull
35 Minuten
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vor 6 Tagen
Brauchen wir wirklich Geheimdienste, die Parteien als
„extremistisch“ etikettieren? Warum bleibt dies nicht einem
wissenschaftlichen Institut überlassen, das transparent und nicht
„geheim“ agiert? Niko Härting spricht mit Hans Peter Bull Prof. Dr.
Hans Peter Bull ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht,
Datenschutz und Verwaltungslehre an der Universität Hamburg, war
der erste Bundesdatenschutzbeauftragte Deutschlands (1978 bis
1983), und hat von 1988 bis 1995 das Amt des Landesinnenministers
von Schleswig-Holstein bekleidet. Bull ist sowohl mit dem
Datenschutz bestens vertraut als auch mit dem Recht der
Nachrichtendienste. Bereits in der ersten Ausgabe der Privacy in
Germany (PinG) im Jahr 2013 hat sich Bull kritisch mit der Arbeit
der Verfassungsschutzämter befasst und deren drastische
Verkleinerung gefordert. Hieran hat es jüngst in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung (FAZ) angeknüpft und die Praxis der
„Verrufserklärungen“ der Verfassungsschützer kritisiert, die sich
in den letzten Jahren entwickelt hat. Seit langem vertritt Bull die
Auffassung, die Auswertung von Informationen sei keine Aufgabe der
Geheimdienste, dies könnten ohne Weiteres wissenschaftliche
Institute erledigen. Auch dürfe es – insbesondere bei der
Bekämpfung des Terrorismus - keine Überschneidungen polizeilicher
Aufgaben mit den Aufgaben der Geheimdienste geben. Bull erinnert an
die Erfahrungen mit den „Radikalenerlassen“ der 1970er-Jahre, die
eine Infiltration des öffentlichen Dienstes mit Extremisten
verhindern sollten. Die damit einhergehende Überprüfung der
politischen Gesinnung von Bewerbern gilt heute gemeinhin als
Irrweg. Sie führte dazu, dass die Verfassungsschützer immer mehr
Informationen über Bürgerinnen und Bürger sammelten. Die
Verfassungsschutzämter seien heute erneut in einer „politischen
Falle“. Parteien werden etikettiert als extremistisch über ein fein
abgestuftes System, das der Verfassungsschutz entwickelt hat, ohne
dass dies gesetzlich so vorgegeben ist: Prüffall, Verdachtsfall,
gesichert extremistisch: Dies sind Kategorien, die Ministerien und
Verfassungsschützer selbst geschaffen haben. Statt Extremisten
politisch zu bekämpfen, greift man mit den Etikettierungen in den
politischen Meinungskampf ein. Dies führt erneut zu einer ebenso
umfassenden wie fragwürdigen Informationssammlung durch den
Verfassungsschutz. Die Etikettierung durch den Verfassungsschutz
greift nach Bulls Auffassung in den durch Art. 21 GG geschützten
politischen Wettbewerb der Parteien ein. In der Öffentlichkeit,
meint Bull, wird die Einstufung als „Verdachtsfall“ häufig bereits
als „erwiesene Tatsache“ angesehen, sodass eine reinigende Wirkung
durch spätere behördliche Richtigstellung gar nicht mehr möglich
ist. Bull erinnert daran, dass selbst der heutige Ministerpräsident
Thüringens und damalige Bundestagsabgeordnete Bodo Ramelow bis 2013
vom Verfassungsschutz wegen des Verdachts des Extremismus überwacht
wurde und dies erst durch das Bundeverfassungsgericht gestoppt
wurde. Auch dies sei ein Irrweg gewesen, aus dem man keine
hinreichenden Lehren gezogen habe.
„extremistisch“ etikettieren? Warum bleibt dies nicht einem
wissenschaftlichen Institut überlassen, das transparent und nicht
„geheim“ agiert? Niko Härting spricht mit Hans Peter Bull Prof. Dr.
Hans Peter Bull ist emeritierter Professor für Öffentliches Recht,
Datenschutz und Verwaltungslehre an der Universität Hamburg, war
der erste Bundesdatenschutzbeauftragte Deutschlands (1978 bis
1983), und hat von 1988 bis 1995 das Amt des Landesinnenministers
von Schleswig-Holstein bekleidet. Bull ist sowohl mit dem
Datenschutz bestens vertraut als auch mit dem Recht der
Nachrichtendienste. Bereits in der ersten Ausgabe der Privacy in
Germany (PinG) im Jahr 2013 hat sich Bull kritisch mit der Arbeit
der Verfassungsschutzämter befasst und deren drastische
Verkleinerung gefordert. Hieran hat es jüngst in der Frankfurter
Allgemeinen Zeitung (FAZ) angeknüpft und die Praxis der
„Verrufserklärungen“ der Verfassungsschützer kritisiert, die sich
in den letzten Jahren entwickelt hat. Seit langem vertritt Bull die
Auffassung, die Auswertung von Informationen sei keine Aufgabe der
Geheimdienste, dies könnten ohne Weiteres wissenschaftliche
Institute erledigen. Auch dürfe es – insbesondere bei der
Bekämpfung des Terrorismus - keine Überschneidungen polizeilicher
Aufgaben mit den Aufgaben der Geheimdienste geben. Bull erinnert an
die Erfahrungen mit den „Radikalenerlassen“ der 1970er-Jahre, die
eine Infiltration des öffentlichen Dienstes mit Extremisten
verhindern sollten. Die damit einhergehende Überprüfung der
politischen Gesinnung von Bewerbern gilt heute gemeinhin als
Irrweg. Sie führte dazu, dass die Verfassungsschützer immer mehr
Informationen über Bürgerinnen und Bürger sammelten. Die
Verfassungsschutzämter seien heute erneut in einer „politischen
Falle“. Parteien werden etikettiert als extremistisch über ein fein
abgestuftes System, das der Verfassungsschutz entwickelt hat, ohne
dass dies gesetzlich so vorgegeben ist: Prüffall, Verdachtsfall,
gesichert extremistisch: Dies sind Kategorien, die Ministerien und
Verfassungsschützer selbst geschaffen haben. Statt Extremisten
politisch zu bekämpfen, greift man mit den Etikettierungen in den
politischen Meinungskampf ein. Dies führt erneut zu einer ebenso
umfassenden wie fragwürdigen Informationssammlung durch den
Verfassungsschutz. Die Etikettierung durch den Verfassungsschutz
greift nach Bulls Auffassung in den durch Art. 21 GG geschützten
politischen Wettbewerb der Parteien ein. In der Öffentlichkeit,
meint Bull, wird die Einstufung als „Verdachtsfall“ häufig bereits
als „erwiesene Tatsache“ angesehen, sodass eine reinigende Wirkung
durch spätere behördliche Richtigstellung gar nicht mehr möglich
ist. Bull erinnert daran, dass selbst der heutige Ministerpräsident
Thüringens und damalige Bundestagsabgeordnete Bodo Ramelow bis 2013
vom Verfassungsschutz wegen des Verdachts des Extremismus überwacht
wurde und dies erst durch das Bundeverfassungsgericht gestoppt
wurde. Auch dies sei ein Irrweg gewesen, aus dem man keine
hinreichenden Lehren gezogen habe.
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