Gründungsmythos USA: Auserwähltheit, Puritanismus & Freimauerei | Von Wolfgang Effenberger

Gründungsmythos USA: Auserwähltheit, Puritanismus & Freimauerei | Von Wolfgang Effenberger

34 Minuten

Beschreibung

vor 1 Woche

Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.


Trotz weitestgehend gemeinsamer Herkunft aus dem Mutterland
England waren die Bewohner der britischen Kolonien in Nordamerika
im Jahr 1763 - wirtschaftlich und politisch betrachtet - kein
homogenes Volk.(1)


Die 1,6 Millionen Einwohner der 13 britischen Kolonien einte der
gemeinsame Kampf gegen äußere Feinde - Indianer und Franzosen -
und die wechselseitigen Beziehungen im wirtschaftlichen,
sozialen, kulturellen und geistigen Bereich. Unterschiede
bestanden zwischen den drei großen Siedlungsregionen. Während
sich in den nördlichen Kolonien der freibäuerliche Besitz
entwickelte, waren die Mittelkolonien(2) mehr aristokratisch und
handelskapitalistisch geprägt. Dagegen produzierten die
Südkolonien(3) auf den Plantagen der Großgrundbesitzer mit Hilfe
der Sklaven und auch der weißen Zwangsarbeiter die typischen
»Kolonialwaren« - Tabak, Reis, Weizen, Indigo und Baumwolle.


Beträchtlich waren jedoch die Unterschiede zwischen den
Kolonisten der Ostküste und den Grenzsiedlern sowie den
Wohlhabenden und der breiten Masse. Während die "Whigs" von 1680
bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Gegner der konservativen
und monarchietreuen Tories im britischen Parlament waren und in
den nordamerikanischen Kolonien parlamentarische
Provinzregierungen forderten, strebten die "Tories" eine
autoritäre Regierungsform an. Doch in den Kolonien dürfte alle
das Streben nach größtmöglicher individueller Freiheit geeint
haben.


Der 1763 beendete "Indian War" - in Deutschland auch als
"Siebenjähriger Krieg" bezeichnet(4), hatte auf der einen Seite
das Selbstbewusstsein der britischen Kolonisten erhöht, auf der
anderen Seite aber England tief in Schulden gestürzt. Im
Vergleich zum britischen Bürger in Europa belief sich die
Steuerlast eines britischen Kolonisten nur auf ein
Fünfzigstel.(5) Um hier einen Ausgleich zu schafften,
verabschiedete das Parlament in London 1764 unter anderem das
„Zuckergesetz“ (Sugar Act). Eine lange Liste von Waren folgten.


Den größten Stein des Anstoßes verspürten führende Kolonisten
demnach in der Präambel des Londoner Steuergesetzes. Darin wurde
die imperiale Kontrolle des Mutterlandes über die Kolonien
verstärkt. Der Widerstand in Britisch-Nordamerika eskalierte, als
am 5. März 1770 im sogenannten "Massaker von Boston" fünf
Zivilisten im Verlauf einer Auseinandersetzung zwischen
Kolonisten und britischen Soldaten getötet und umgehend zu
Märtyrern erklärt wurden.


Die "Encyclopaedia Britannica", eine 1768 begründete
englischsprachige Enzyklopädie, gibt den Vorfall heute
emotionsfrei wieder: „Der Zwischenfall war der Höhepunkt einer
Serie von Schlägereien, in welchen die örtlichen Arbeiter und
Seeleute mit den in Boston einquartierten Soldaten
zusammenstießen. Verfolgt von einer Bande, eröffneten die
Soldaten das Feuer. Crispus Attucks, ein Seemann und früherer
Sklave, wurde als erster niedergeschossen. [...] Samuel Adams
erwies sich als geschickter Propagandist des Tages, schlau
stilisierte er den Zwischenfall als einen Krieg für die
amerikanische Freiheit“.(6)...


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