Episode 30: Sprache öffnet Türen, aber der Akzent hält sie halb geschlossen // mit Alla Leshenko
1 Stunde 10 Minuten
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vor 1 Monat
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Alla wurde in Usbekistan geboren, hat ukrainische Wurzeln,
besitzt einen russischen Pass und lebt seit fast 20 Jahren in
Deutschland, wo sie sich heute heimisch und deutsch fühlt. In der
30. Episode von Woher kommst du wirklich? habe ich mit Alla
Leschenko gesprochen, einer Frau mit einer unglaublich
vielschichtigen Geschichte und einer komplizierten Herkunft und
Identität. Alla ist Lektorin und Autorin, die die deutsche
Sprache liebt und mit beeindruckender Präzision beherrscht – und
doch wird sie immer wieder auf ihre Migrationserfahrung
reduziert.
In Usbekistan galt sie als Russin, obwohl sie ethnisch ukrainisch
ist. In Deutschland sieht sie sich als Usbekin und als Deutsche –
doch ihr Akzent und ihr Name machen sie für viele automatisch zur
„Russin“.
Unsere Unterhaltung zeigt, wie tief Vorurteile in der
Gesellschaft verankert sind. Besonders bewegend erzählt Alla von
einem Erlebnis mit der Lehrerin ihres Sohnes: Als dieser in der
Schule Schwierigkeiten hatte, wurde ihr geraten, zu Hause mehr
Deutsch zu sprechen – eine Empfehlung, die sie tief traf.
„Deutsch ist unsere Gefühlssprache, unsere Familiensprache – es
hat nichts mit der Herkunft zu tun“, betont Alla. Später stellte
sich heraus, dass die Lernschwierigkeiten ihres Sohnes auf eine
Schreibschwäche zurückzuführen waren – und nicht auf eine
vermeintlich mangelnde Deutschkenntnis.
Im Gespräch reflektieren wir auch die „heilige Dreifaltigkeit“
von Sprache, Namen und Aussehen, die oft entscheidet, ob jemand
in Deutschland als „deutsch“ wahrgenommen wird. Allas Kinder, die
in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, werden
selbstverständlich als deutsch angesehen, da sie helle Haut
haben. Doch Alla selbst, obwohl sie die deutsche Sprache liebt
und meisterhaft beherrscht, erlebt immer wieder, dass sie nicht
ganz dazugehört.
Von Vorurteilen gegenüber russischsprachigen Frauen, die oft auf
stereotype Rollen reduziert werden, bis hin zu den politischen
Spannungen zwischen Russen und Ukrainern in der Diaspora – Alla
teilt offen ihre Erfahrungen. Sie spricht über Brüche in
Familien, die durch Krieg und politische Meinungen verstärkt
werden, und über den Schmerz, der entsteht, wenn die eigene
Identität ständig hinterfragt wird.
Trotz dieser Herausforderungen bleibt Alla optimistisch. Sie
schätzt die Freiheit, die sie in Deutschland genießt, und glaubt
fest daran, dass Sprache der Schlüssel zu Integration und
Verständnis ist.
Mit dieser Episode endet vorerst die Reise von Woher kommst du
wirklich?. Die 30. Folge ist ein würdiger Abschluss der ersten
Staffel, mit einem Gespräch, das zeigt, wie komplex und
faszinierend Identität sein kann – und wie wichtig es ist,
einander zuzuhören.
Danke, dass ihr diesen Weg mit mir gegangen seid. Vielleicht
hören wir uns in einer neuen Staffel wieder. Bis dahin: bleibt
neugierig und begegnet der Vielfalt um euch herum mit Offenheit
und Respekt.
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Alla Leschenko ist deutsche Lektorin, Texterin und
Schriftstellerin. Seit 2005 lebt sie in Deutschland. Ihre
Leidenschaften sind Sprache, Gesellschaft und Politik – sowie
ihre Liebe zu Horror und Katzen.
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Musik & Postproduktion:
Joscha Grunewald
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