«Nahostkrieg: Untergräbt die Solidarität mit Israel die Glaubwürdigkeit westlicher Werte im globalen Süden und das Ansehen Deutschlands?» - mit Susanne Brunner und Reinhard Schulze
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vor 2 Wochen
Susanne Brunner, die Auslandchefin des schweizerischen Radios,
führt als Beispiel für den Verlust der Glaubwürdigkeit westlicher
Werte die Reaktion einer Libanesin in der Folge der von Israel
zur Explosion gebrachten Pager-Geräte auf. Dieser Angriff habe im
Libanon «‘die ganze Zivilgesellschaft (.. getroffen, als eine)
Attacke, die dermassen unverhältnismässig ist, die alle trifft
(..) Ich hatte nie dieses Gefühl gegenüber Europa, aber es ist
fast, wie wenn ich Europa hasse. (..) Was seit 9/11 passiert ist:
Irak zerstört, Syrien zerstört, Libanon zerstört, die
palästinensische Frage zerstört, wohin will der Westen damit
überhaupt noch gehen.‘» Diese Frau habe eigentlich ausgedrückt:
«Menschenrechte, die ihr propagiert, die gelten nur für
euch.»
Für den Islamwissenschaftler Reinhard Schulze gibt es «im Moment
zwei Modelle, die im Nahen Osten diskutiert werden: Das ist die
Schaffung eines Gegen-Westens, das russische-chinesische
Paradigma. (..) Und auf der anderen Seite die Suche nach einer
eigenen Rechtfertigung, an den Werten teilzunehmen, (..) die das
moralische Gesamtgewissen repräsentieren, das zeigen möchte: Das,
was jetzt geschieht an Gewalt, muss aus einer (..) globalen
universellen Position heraus bewertet werden, die auch für den
Westen Gültigkeit hat. (..) Dieses generelle Schema wird
eingeklagt und eingefordert, um beispielsweise Argumente gegen
Hamas (..) zu finden.» Gleichzeitig werde aber Israel «jetzt
tatsächlich als so etwas wie der Vorposten des europäischen
westlichen Imperialismus» gesehen.
Brunner: «Wenn man sich im Nahen Osten umhört, sagt man,
eigentlich hat Deutschland sein Judenproblem nur ausgelagert und
die Palästinenser müssen das jetzt ausbaden. (..) Was ich aber
jetzt denke ist, dass so, wie man den Begriff Antisemitismus
braucht, ist das auch propagandistisch. Darunter leiden auch
Juden und Jüdinnen, die kritisch sind gegenüber einer Regierung.
(..) Da ist eine Keule, die uns natürlich immer einschüchtert.
Wer will jetzt schon antisemitisch sein. Und da brauchts manchmal
ein bisschen mehr Mut, um zu sagen: Das ist einfach
Quatsch.»
Schulze argumentiert, «dass wir es mit einem globalen politischen
Muster zu tun haben, das sich seit dem Ukrainekrieg sehr
verstärkt hat und auch im Nahen Osten wirksam wird, genauso wie
in Europa, genauso wie in den USA und in diesem neuen Paradigma
ist auch Israel gefangen (..nämlich), dass die Politik so etwas
wie einen geschichtlichen Auftrag der Nation zu verwirklichen
habe, so ein politischer Messianismus, der sich in der Politik
bei Trump, bei Putin, aber jetzt auch bei Netanjahu (..)
etabliert hat. (..) Und dieser Messianismus (..) ist
gewaltförmig.(..) Das erleben wir im Augenblick stark in Israel,
wo der Krieg fast grenzenlos wird, weil die zugrundeliegende
Ideologie auch grenzenlos wird.»
Wird der Nahostkonflikt immer noch als ein religiös konnotierter
Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen gesehen? - Brunner:
«Wo die religiöse Dimension eine Rolle spielt, ist, dass die
Evangelikalen in den USA das als einen religiösen Konflikt sehen,
in dem sie auf den Messias warten. (..) Auch wenn ich mit
Siedlern spreche, von denen viele (..) aus dem evangelikalen
Kreis kommen und von evangelikalem Geld finanziert sind. (..) Und
ähnlich: Was die Hamas gemacht hat, hat natürlich vor allem
Netanjahus Koalitionspartnern aus dem extremen Lager eine
Möglichkeit gegeben, (..) eine gott-gegebene einmalige Chance,
etwas zu verändern im Nahen Osten.»
Schulze: «Wichtig ist, dass Religion zum Spielfeld einer
nationalistischen Politik geworden ist. Religion ist keine eigene
unabhängige religiöse Kategorie mehr. (..) Wir haben eine
Neubewertung des Religiösen. (..) Religion ist, wie in Russland
ganz stark inszeniert, Machtträger des Staates (..) Träger der
ideologie des Staates. (..) Manche konservative religiöse Akteure
stehen kopfschüttelnd vor dieser Usurpation des Religiösen durch
die imperialen Mächte.»
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