Krieg entwürdigt uns alle | Von Roberto De Lapuente

Krieg entwürdigt uns alle | Von Roberto De Lapuente

14 Minuten

Beschreibung

vor 4 Wochen

Soldaten gehen dem Mordhandwerk nach, sind also laut
einer Glosse von Kurt Tucholsky Mörder. Was dabei vergessen wird:
Sie sind auch Ermordete.


Der Krieg wurde steril. Zumindest das Bild davon. Die grausamen
Gefechte auf dem Schlachtfeld haben über die Jahre und Jahrzehnte
nichts von ihrer Brutalität und Blutrünstigkeit eingebüßt. Doch
in der Vorstellung der allermeisten Menschen, die noch nie
indirekt oder direkt den Krieg miterlebt haben, kommen die
scheußlichen, verstörenden und traumatisierenden Einzelheiten
nicht mehr vor. In Propaganda und Popkultur wurde die zerrüttende
Kriegswirklichkeit überdeckt von Heldenpathos und Bildern, die,
anstatt entstellte Soldatenleichen zu zeigen, ein
Erlebnisabenteuer verheißen. Selbige Kriegspropaganda wird in den
nächsten Wochen und Monaten zunehmend die Lücken schließen, durch
die Dissonanzen in die Köpfe der Menschen sickern könnten, welche
es nun kriegstüchtig zu machen gilt. Denn zu diesem Zweck sind
authentische Bilder und Vorstellungen vom Schlachtfeld nur
störend, sie könnten den geforderten Kampfgeist und die
Geschlossenheit der Front schmälern. Um ein erneutes Abgleiten in
die Barbarei zu verhindern, braucht die Bevölkerung hierzulande
wieder ein ungeschönt realistisches Bild vom Krieg, bevor der
Krieg selbst wieder zur Realität wird.


Ein Kommentar von Roberto De
Lapuente. 


Es gibt da diese Szene aus Steven Spielbergs „Der Soldat James
Ryan“ aus dem Jahre 1998. Eine kleine Einheit von US-Soldaten,
die mit einer Sonderaufgabe betraut ist – eben den dem Film
namensgebenden Soldaten zu finden –, beugt sich über einen
angeschossenen Kameraden: einen jungen Mann, Sanitäter der
Truppe. Bei der Erstürmung einer Anhöhe irgendwo in
Nordfrankreich, auf der Soldaten der deutschen Wehrmacht eine
Maschinengewehrstellung eingerichtet hatten, wurde er verwundet.
Ihm wurde mehrfach in die Brust und in den Bauch geschossen. Die
Männer reißen ihm das Hemd auf, man sieht mehrere Einschüsse,
Sturzbäche von Blut ergießen sich – sie versuchen es abzuwischen,
reden dem Verwundeten, der von Sekunde zu Sekunde bleicher wird,
gut zu. Sie reißen kleine Päckchen mit Sulfonamid auf, streuen es
über die Einschusslöcher.


Aber das Blut wäscht das Antibiotikum weg – die medizinisch
ahnungslosen Soldaten haben es in ihrer Panik offenbar mit einem
Blutungsstiller verwechselt. Der verwundete junge Sanitäter fragt
panisch, wie die Wunde aussieht. Aber seine Kameraden agieren
hektisch: Welche Auskunft sollen sie ihm geben? Alle sind sie
längst blutrot eingefärbt, die Mullbinden, die sie auf die
Einschüsse verteilen, saugen sich in Sekundenschnelle voll.


Der junge Mann, mittlerweile kreidebleich, schreit nach seiner
Mama. Er wolle nicht sterben. Die anderen tupfen weiter, reden
ihm gut zu, einer hält dem mit dem Tod Ringenden den Kopf. Blut
läuft ihm aus dem Mund. Eine Dose Morphin hat man ihm da bereits
verabreicht. Der Captain der Truppe weist ihm noch zwei weitere
Dosen zu; der Verwundete stirbt in den Armen seiner
Kriegskameraden. Ihre Hektik ist verschwunden, Resignation macht
sich bei ihnen breit. Einer knackt die sogenannte Hundemarke, die
um seinen Hals hängt, von der Kette. Der Tote liegt ausgeblutet
zwischen denen, die ihn zu retten versuchten.


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https://apolut.net/krieg-entwurdigt-uns-alle-von-roberto-de-lapuente/


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