Beschreibung
vor 1 Woche
Eine Letztbegründung von Gründen mit „Gott“ wäre im positiven Recht
der Moderne nicht mehr zulässig. Wie werden Argumente stattdessen
begründet? Luhmann hebt die Beurteilung der Folgen von
Rechtsentscheidungen hervor. Im alteuropäischen Recht der
Vormoderne konnte man sich bei der Interpretation von Texten noch
auf Gott berufen. Gottes Wille äußerte sich in der Natur. Der
menschlichen Natur ließ sich Vernunft zuschreiben, die es dem
„Subjekt“ ermöglichte, „objektive“ Erkenntnis zu gewinnen. Mit
solchen Begründungsbegriffen ließ sich „gut“ argumentieren: Sie
stützten sich gegenseitig. Gott war Ursprung und Letztbegründung
zugleich. Mit der Säkularisierung brauchte es Ersatz. Das positive
Recht der Moderne ist „menschgemacht“ und entsteht durch
Kommunikation – die immer kontingent ist. Welche Vorgehensweise bei
der Suche nach „guten“ Begründungen finden wir heute vor? Die
Theorie sozialer Systeme nennt hier die Beurteilung der Folgen
einzelner Rechtsentscheidungen. Folgeneinschätzung ist zum Standard
in der Argumentation geworden. Die Interpretation legt verschiedene
Szenarien zugrunde und schätzt jeweils ein: Welche Folgen könnten
sich ergeben, je nachdem, welche Regel man zugrunde legt? Bereits
im Naturrecht war es üblich gewesen, Folgen abzuschätzen. Das
Prinzip der Billigkeit diente dazu, die Angemessenheit möglicher
Folgen zu beurteilen. Heute hat sich die Kontrolle des Rechts
anhand der Einschätzung von erwünschten/unerwünschten Folgen als
einzig überzeugendes Prinzip in Rechtstheorie und Praxis
durchgesetzt. Die Vorgehensweise gilt als allgemein akzeptiert. Die
Theorie sozialer Systeme hinterfragt diese Operationsweise jedoch
tiefer: Was beobachten wir (die Soziologie), wenn wir diese
Vorgehensweise beobachten? Verlangt wird also eine Beobachtung
zweiter Ordnung. Wir beobachten, wie Beobachter beobachten. Aus
dieser Perspektive können wir zunächst etwas ausschließen: Nicht
beobachtbar ist, dass das Recht mithilfe der Beurteilung etwaiger
Folgen von Rechtsentscheidungen einen Zweck verfolgen würde.
Zweckprogramme wendet die Politik an: Um ein Ziel zu erreichen,
wird ein Gesetz beschlossen. Auch die Politik schätzt ein, welche
Folgen das Gesetz haben könnte: Vor allem „Risiken“ (eine
Unter-Unterscheidung von Gefahr) werden eingeschätzt. Im Recht wird
jedoch nicht mit „Um zu“-Begründungen argumentiert. Stattdessen
arbeitet die rechtliche Argumentation mit Konditionalprogrammen,
mit Wenn-dann-Bedingungen. Folgeneinschätzung in Recht und Politik
sind nicht dasselbe. Für das Recht geht es nur um systeminterne
Folgen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die Anwendung einer
Regel auf zukünftige Entscheidungen auswirken könnte. Dabei müssen
zwar auch verschiedene Möglichkeiten des Verhaltens in der Umwelt
konstruiert und Annahmen „durchgespielt“ werden. Dies geschieht
jedoch nur, um systeminterne Konsequenzen einzuschätzen. Eine in
der Politik typische Prognose, wie die Umwelt reagieren könnte,
z.B. KonsumentInnen, braucht es dagegen nicht. Die Beurteilung
etwaiger Rechtsfolgen dient nur der internen Konsistenzpflege. Die
Einschätzung bereichert den Vorrat an Redundanzen, auf die man sich
zukünftig argumentativ beziehen kann. Welchen Unterschied es macht,
ob das Recht nur systeminterne oder auch die Umwelt betreffende
Folgen ins Kalkül zieht, wird leicht übersehen. Die Frage ist, ob
es auf Dauer möglich sein wird, sich als operativ geschlossenes
Rechtssystem gegenüber den externen Folgen der Rechtsprechung zu
verschließen. (Z.B.: Folgen für den Klimaschutz.) In dieser Frage
blitzt der politische Begriff des Interesses auf. Rechtsprechung
hat Konsequenzen für die davon potenziell Betroffenen. Bei der
Lebensrettung kann man ein Interesse des Retters unterstellen, für
etwaige Schäden durch seine Hilfsaktion entschädigt zu werden.
Andernfalls könnte das Risiko für ihn zu hoch sein, im Notfall zu
helfen – könnte man unterstellen. Vollständiger Text auf
Luhmaniac.de
der Moderne nicht mehr zulässig. Wie werden Argumente stattdessen
begründet? Luhmann hebt die Beurteilung der Folgen von
Rechtsentscheidungen hervor. Im alteuropäischen Recht der
Vormoderne konnte man sich bei der Interpretation von Texten noch
auf Gott berufen. Gottes Wille äußerte sich in der Natur. Der
menschlichen Natur ließ sich Vernunft zuschreiben, die es dem
„Subjekt“ ermöglichte, „objektive“ Erkenntnis zu gewinnen. Mit
solchen Begründungsbegriffen ließ sich „gut“ argumentieren: Sie
stützten sich gegenseitig. Gott war Ursprung und Letztbegründung
zugleich. Mit der Säkularisierung brauchte es Ersatz. Das positive
Recht der Moderne ist „menschgemacht“ und entsteht durch
Kommunikation – die immer kontingent ist. Welche Vorgehensweise bei
der Suche nach „guten“ Begründungen finden wir heute vor? Die
Theorie sozialer Systeme nennt hier die Beurteilung der Folgen
einzelner Rechtsentscheidungen. Folgeneinschätzung ist zum Standard
in der Argumentation geworden. Die Interpretation legt verschiedene
Szenarien zugrunde und schätzt jeweils ein: Welche Folgen könnten
sich ergeben, je nachdem, welche Regel man zugrunde legt? Bereits
im Naturrecht war es üblich gewesen, Folgen abzuschätzen. Das
Prinzip der Billigkeit diente dazu, die Angemessenheit möglicher
Folgen zu beurteilen. Heute hat sich die Kontrolle des Rechts
anhand der Einschätzung von erwünschten/unerwünschten Folgen als
einzig überzeugendes Prinzip in Rechtstheorie und Praxis
durchgesetzt. Die Vorgehensweise gilt als allgemein akzeptiert. Die
Theorie sozialer Systeme hinterfragt diese Operationsweise jedoch
tiefer: Was beobachten wir (die Soziologie), wenn wir diese
Vorgehensweise beobachten? Verlangt wird also eine Beobachtung
zweiter Ordnung. Wir beobachten, wie Beobachter beobachten. Aus
dieser Perspektive können wir zunächst etwas ausschließen: Nicht
beobachtbar ist, dass das Recht mithilfe der Beurteilung etwaiger
Folgen von Rechtsentscheidungen einen Zweck verfolgen würde.
Zweckprogramme wendet die Politik an: Um ein Ziel zu erreichen,
wird ein Gesetz beschlossen. Auch die Politik schätzt ein, welche
Folgen das Gesetz haben könnte: Vor allem „Risiken“ (eine
Unter-Unterscheidung von Gefahr) werden eingeschätzt. Im Recht wird
jedoch nicht mit „Um zu“-Begründungen argumentiert. Stattdessen
arbeitet die rechtliche Argumentation mit Konditionalprogrammen,
mit Wenn-dann-Bedingungen. Folgeneinschätzung in Recht und Politik
sind nicht dasselbe. Für das Recht geht es nur um systeminterne
Folgen. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die Anwendung einer
Regel auf zukünftige Entscheidungen auswirken könnte. Dabei müssen
zwar auch verschiedene Möglichkeiten des Verhaltens in der Umwelt
konstruiert und Annahmen „durchgespielt“ werden. Dies geschieht
jedoch nur, um systeminterne Konsequenzen einzuschätzen. Eine in
der Politik typische Prognose, wie die Umwelt reagieren könnte,
z.B. KonsumentInnen, braucht es dagegen nicht. Die Beurteilung
etwaiger Rechtsfolgen dient nur der internen Konsistenzpflege. Die
Einschätzung bereichert den Vorrat an Redundanzen, auf die man sich
zukünftig argumentativ beziehen kann. Welchen Unterschied es macht,
ob das Recht nur systeminterne oder auch die Umwelt betreffende
Folgen ins Kalkül zieht, wird leicht übersehen. Die Frage ist, ob
es auf Dauer möglich sein wird, sich als operativ geschlossenes
Rechtssystem gegenüber den externen Folgen der Rechtsprechung zu
verschließen. (Z.B.: Folgen für den Klimaschutz.) In dieser Frage
blitzt der politische Begriff des Interesses auf. Rechtsprechung
hat Konsequenzen für die davon potenziell Betroffenen. Bei der
Lebensrettung kann man ein Interesse des Retters unterstellen, für
etwaige Schäden durch seine Hilfsaktion entschädigt zu werden.
Andernfalls könnte das Risiko für ihn zu hoch sein, im Notfall zu
helfen – könnte man unterstellen. Vollständiger Text auf
Luhmaniac.de
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