Angespannte Ruhe in Syrien | Von Rüdiger Rauls

Angespannte Ruhe in Syrien | Von Rüdiger Rauls

11 Minuten

Beschreibung

vor 6 Tagen

Nach den turbulenten Ereignissen der letzten Wochen
scheinen sich die Lage und die Stimmungen in und um Syrien zu
beruhigen. Alle politischen Kräfte sind vollauf damit
beschäftigt, die Möglichkeiten der eigenen Einflussnahme unter
den veränderten Bedingungen auszuloten.


Ein Kommentar von Rüdiger Rauls.


Unklare Verhältnisse


Die größten Vorteile aus den Entwicklungen der vergangenen Tage
scheinen zuvorderst die Türkei und mit ihr die Kämpfer der
Nationalen Syrischen Armee (SNA) errungen zu haben. Die Erfolge
haben sich auch in Gebietsgewinnen niedergeschlagen, die sie den
Kurden hatten entreißen können. Auch Israel hat die Gunst der
Stunde zu nutzen gewusst, indem es die Ausrüstung der syrischen
Armee weitgehend vernichtet hat und sich weitere Landgewinne auf
den Golan-Höhen verschaffen konnte. Sie sind bisher die
eindeutigen Gewinner der Entwicklungen.


Zwar ist den Rebellen aus der Region Idlib durch den Sturz Assads
die Macht in Syrien wie ein reifer Apfel in den Schoß gefallen,
aber das hat noch wenig zu bedeuten und darf schon gar nicht als
Zeichen eigener Stärke missverstanden werden. Vielmehr zeigt es
nur, wie weit die Macht Assads bereits ausgehöhlt war. Die HTS
(Hayat Tahrir al-Scham) muss sich erst einmal in dieser Position
festigen. Fürs Erste wissen sie noch nicht, auf welche Kräfte im
Land sie sich verlassen können.


Die schnelle Eroberung von Damaskus und der unerwartete Sturz von
Assad haben viele Kräfte in der syrischen Gesellschaft
überrascht. Wer weiß, ob sich die verbliebenen Teile der Armee
den neuen Herrschern unterordnen werden? Fraglich ist auch, ob
der neue Machthaber in Damaskus, Ahmad al Sharaa, mit Kampfnamen
al-Golani, seine Ankündigung wird durchsetzen können, nicht
zuzulassen,
„dass es im Land Waffen außerhalb staatlicher Kontrolle
gibt“(1) .

Nach seinen Plänen sollen alle Kampfverbände ihre Waffen
niederlegen und sich in die syrische Armee eingliedern lassen.
Zum Verteidigungsminister wurde jedoch kein bisheriges Mitglied
der syrischen Armee ernannt, sondern mit Murhaf Abu Qasra der
Organisator der HTS-Offensive. Das könnte für neuen Konfliktstoff
sorgen, nicht nur unter den bewaffneten Kräften selbst sondern
auch im Verhältnis zu den Nachbarn. Denn damit würde das
verbliebene Militärmaterial gerade jenen Kräften unterstellt,
denen die israelische Armee durch ihre Bombardements den Zugriff
darauf hatte entziehen wollen.


Wenn auch die HTS über die politische Macht in Damaskus verfügt,
so bedeutet das nicht, dass sie sich in einer gefestigten
Position befindet. Die Haltung der Bevölkerung ist noch
vollkommen unklar, und im Moment scheinen sich die Kämpfer aus
Idlib auf nichts weiter verlassen zu können als die eigenen
Kräfte. Insofern steht sie sogar weniger stabil da als Assad vor
seinem Sturz. Der konnte immerhin davon ausgehen, dass die Armee
auf seiner Seite steht, auch wenn diese ihn im Stich gelassen
hatte, als es drauf ankam. Ob die Armee aber auf der Seite der
HTS steht, ist im Gegensatz dazu von vorneherein eher unklar,
vielleicht sogar zweifelhaft. Zudem wusste Assad die Russen und
den Iran hinter sich....hier weiterlesen:
https://apolut.net/angespannte-ruhe-in-syrien-von-rudiger-rauls/


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