Von der Bellens klarer Kern | Von Paul Clemente
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vor 3 Tagen
Ein Kommentar von Paul Clemente.
Das war shakespearereif: Als habe man den Helden eines
Königsdramas gezwungen, seinem Rivalen und Todfeind die
Krone aufzusetzen. Und dabei noch gute Miene machen! So
dürfte Österreichs grüner Bundespräsident Alexander von der
Bellen sich gestern gefühlt haben. Sein Lächeln wirkte gequält,
als er ans Rednerpult trat und Herbert Kickl mit der
Regierungsbildung beauftragte. Auf wen hat er wohl mehr Wut
geschoben? Auf Kickl? Auf die ignoranten Wähler? Oder auf seine
Parteikollegen? Denen war nämlich innerhalb von drei Monaten
nicht gelungen, sich erfolgreich gegen den bösen FPÖ-Chef zu
verschwören. Trotzdem musste der Bundespräsident diese krachende
Niederlage des rotgrünen Establishments zu einem Sieg umdeuten.
Irgendwie! Und das ging so:
Von der Bellen erklärte dem geneigten Publikum: Eine seiner
wichtigsten Aufgaben bestehe darin, dem Land eine funktionsfähige
Regierung zu bescheren. Dabei gebiete es der Respekt vor dem
Wählervotum, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet, die
sich im Nationalrat findet oder eben nicht. Das sei „der
beruhigend klare Kern unserer Demokratie, festgelegt in der
Bundesverfassung.“ Dem folgte eine Zusammenfassung der
vergangenen drei Monate: ÖVP und der SPÖ hätten die Koalition mit
der FPÖ strikt abgelehnt, stattdessen eine Ampelkoalition mit den
NEOs geplant. ÖVP-Chef Karl Nehammer erhielt daraufhin den
Auftrag zur Regierungsbildung. Leider wurde nichts daraus: Am
Freitag stiegen die NEOS aus und Nehammer trat zurück. Danach
geschah ein Wunder: Plötzlich war die ÖVP doch zur Koalition mit
der FPÖ bereit. Damit schrumpfte die Verhinderungstaktik zum
puren Aufschub. Immerhin ein Vierteljahr. Herbert Kickl selber
spricht von „drei verlorenen Monaten.“
Von der Bellen beschwor die Dringlichkeit seiner Entscheidung:
Österreich befinde sich in einer Krise. Trotz steigender
Arbeitslosigkeit verlange der Staatshaushalt eine Sanierung. Da
stünden bald „unpopuläre Maßnahmen“ vor der Tür. Mit anderen
Worten: Kürzungen im Sozialbereich. Zudem sei Österreich durch
russische Angriffskrieger bedroht. Kurzum: Noch mehr Rauszögern
ging einfach nicht. Also lud von der Bellen den Kickl in die
Hofburg. Der ist über den Kurswechsel nur mäßig begeistert:
Schließlich gehörte auch die ÖVP zu den „Architekten der
Verlierer-Ampel und stehen nun vor den Trümmern ihrer
Kickl-Verhinderungsstrategie“. Und was, wenn die neuen
Verhandlungen ebenfalls scheitern? Das sollten FPÖ-Gegner
sich besser nicht wünschen. Dann gäbe es nämlich Neuwahlen. Und
jeder kann sich ausrechnen, welche Partei davon profitieren
würde.
Am Schluss wirbt von der Bellen um Verständnis. „Meine Damen und
Herren, ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht.“ Aber
keine Panik: Er, von der Bellen, werde darauf achten, "dass die
Prinzipien und Regeln unserer Verfassung korrekt beachtet und
eingehalten werden.“ So wie jahrelang in der Lockdown-Zeit und
der beschlossenen Impfpflicht? Auch in Deutschland dürfte der
Wahlsieg der FPÖ vielen als Super-GAU gelten. Denn: Was in
Österreich ablief, könnte sich in Berlin wiederholen. Dort gibt
es im Februar eine vorgezogene Bundestagswahl. Und wie in
Österreich erklärten die Altparteien ihre Entschlossenheit, mit
der AfD nicht zu koalieren. Wählervotum hin oder her. Da gibt der
Einbruch beim FPÖ-Boykott doch ein schlechtes Vorbild, oder?
Das Hipster-Magazin Die Zeit konstatierte: In Österreich habe man
die Brandmauer „zermalmt“...hier weiterlesen:
https://apolut.net/von-der-bellens-klarer-kern-von-paul-clemente/
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