Millionen-Budget

Podcasts für die Tonne

27. Jan 2025 , aktualisiert: 3. Feb 2025

Für ihre Podcasts greifen Politiker so richtig tief in die Tasche. 200 bis 300K sind da schon mal drin. Ist das ein Skandal? Eine Kolumne.

Bild: Pexels
Podcasts für die Tonne

Im April 2023 machte eine Recherche von SpiegelSchlagzeilen. Das Magazin erklärte, deutsche Spitzenpolitiker produzierten Podcasts für hunderttausende Euro - die allerdings von kaum jemandem angehört würden. Das roch nach Steuergeldverschwendung.

So soll der elfteilige Podcast Das Arbeitsgespräch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales rund 223.800 Euro gekostet haben. Dafür gab es zum Zeitpunkt der Recherche 1.326 Hörer. Ähnlich erfolglos soll der Podcast Rohrpost auf die Ohren mit dem IT-Beauftragten des Bundes gelaufen sein, trotz knapp 66.000 Euro Produktionskosten (podcast.de berichtete). Warum ich das Thema nochmal aufwärme? Nicht nur in Deutschland blickt man kritisch auf das Podcast-Engagement hochrangiger Politiker.

Enorm hohe Kostenfür Podcasts

Auch die Neue Züricher Zeitungstellte eine Recherche an, um herauszufinden, wie gut die Podcasts von Schweizer Politikern performen. Ähnlich wie im Spiegel schlüsselt der Autor auf, welche Kosten entstanden sind. Insgesamt sollen Bundesstellen dort in den vergangenen Jahren rund eine Million Franken (1,06 Mio. Euro) für die Produktion von Podcasts ausgegeben haben.

Der Podcast A Plus for Humanity soll insgesamt 300.000 Franken gekostet und pro Episode nur 300 Hörer erreicht haben. Offenbar wurde er mittlerweile umbenannt, er trägt nun den Titel Why Care?.

WHY CARE?

WHY CARE?

Was genau ist hier eigentlich der Skandal?

Die Sachlage scheint ja erstmal recht eindeutig zu sein, und das dahinterliegende Narrativ geht ungefähr so: 'Die da oben beweihräuchern sich mit unnützen Podcasts und verschwenden dabei unsere Steuergelder. Skandal!' Schon klar.

Trotzdem möchte ich betrachten, worin genau der Fallstrick liegt. Darin, dass die Podcasts so teuer waren? Zum Vergleich: einer der erfolgreichsten Podcasts in der deutschen Podcast-Geschichte, Cui Bono, hat laut seinen Schöpfern zwischen 100.000 und 150.000 Euro gekostet. Und auch mit deutlich kleineren Budgets lassen sich hervorragende Podcasts produzieren. Noch ein Vergleich: Außenministerin Annalena Baerbock investierte 2022 circa 136.500 Euro in Make-Up, um nicht "wie ein Totengräber" auszusehen. Sind solche Budgets heutzutage normal oder vollkommener Wahnsinn? Ich habe keine Ahnung.

Oder geht es eher darum, dass die teuren Podcasts so wenig angehört wurden? Gerade die Kombination beider Faktoren wirkt natürlich fatal. Gleichzeitig darf die Frage erlaubt sein, ob andere Kommunikationskanäle, beispielsweise Pressekonferenzen, Berichte, Videoproduktionen oder Newsletter, so viel besser performen. Bei Newslettern gilt schon eine Klickrate von mehr als drei Prozent als überdurchschnittlich. Quick question: Wer liest überhaupt jemals etwas, was Politiker so schreiben? Journalisten tun das, 08/15-Bürger hingegen nicht allzu häufig. Die direkte Rezeption in der Bevölkerung geht also ohnehin nicht selten gegen null. Wieso sollte das bei Podcasts anders sein?

Rohrpost auf die Ohren - Der Podcast mit dem CIO des Bundes

Rohrpost auf die Ohren - Der Podcast mit dem CIO des Bundes

Leider hat auch ein weiterer Kritikpunkt durchaus seine Berechtigung: Die Departements, Ministerien und Institutionen stellten sich selbst nur im allerbesten Licht dar. Ihre Podcasts sind, wie man bei der NZZ vollkommen zu Recht analysiert, PR-Maßnahmen. Politiker stellen dort ohne Einordnung oder kritische Gegenfragen ihre Prestige-Projekte vor. Sie können sich genau so präsentieren, wie sie gerne gesehen werden möchten. Dass dafür derart hohe Kosten anfallen, ist schwer zu vermitteln. Doch, der Einschub sei erlaubt, die Podcasts sind mehr als nur PR: Ein wohlwollender Teil von mir möchte glauben, dass es den Einrichtungen auch darum geht, ihre Arbeit der Öffentlichkeit transparent zu machen. Sie verzichten in ihren Podcasts auf "blasse, faktenorientierte Information", kritisiert die NZZ. Aber das kann durchaus etwas Gutes sein. Schließlich sollen Bürger niedrigschwelligen Zugang zu Regierungsarbeit haben, und mein Gefühl sagt mir, dass nüchterne Berichte, Rechnungen oder Statistiken nicht unbedingt mehr Menschen erreichen würden als die erwähnten Podcasts.

Falsche Erwartungen: Das Missverständnis mit der Reichweite

Apropos, mehr Menschen erreichen. Mein Eindruck ist, dass es bei Podcastreichweiten immer wieder zu Missverständnissen kommt. Nicht ohne Grund haben wir vergangenen Herbst der Schaffung, Messung und Nutzung von Podcastreichweiten eine ganze Konferenz gewidmet. Wie in sehr vielen Bereichen kreativer Produktion, verteilt sich auch Reichweite ungleich: sehr wenige Podcasts haben immens hohe Abrufzahlen, aber immens viele Podcasts verzeichnen nur sehr wenige Abrufe. Dieser Gesetzmäßigkeit fallen auch die erwähnten Politiker-Podcasts zum Opfer.

Politikerin spricht in ihr Megaphon
Bild: Pexels

Algorithmengesteuerte Plattformen wie YouTube oder TikTok versprechen virale Reichweiten, jedes Reel könnte theoretisch ein neuer Hit sein. Dabei lässt sich leicht vergessen, dass Podcasts eben kein soziales Netzwerk sind und ganz anders funktionieren. Sie finden auf diversen Plattformen statt, sind weniger abhängig von Empfehlungsalgorithmen und virale Reichweiten über Nacht sind eher die Ausnahme. Aber selbst wenn virale Reichweiten üblich wären, sie sind nicht öffentlich einsehbar. Was mich zu meinem nächsten Punkt führt.

Es ist alles andere als überraschend, dass eine Podcast-Episode des Arbeitsministeriums oder des Aussendepartements (Ja, unsere Freunde in der Schweiz schreiben das mit Doppel-S) nur einige hundertmal angehört wird. Schließlich handelt es sich dabei um Informationsangebote, nicht um Entertainment oder True Crime. Kaum jemand außer dem Cutter wird alle Folgen solcher Podcasts anhören. Hörer picken die wenigen Episoden raus, die für sie informativ klingen, und ziehen dann weiter. So ist das nun mal bei Informationsangeboten - unzählige Corporate Podcasts dürften das so bestätigen können. Und noch ein Schocker: Dreistellige Abrufzahlen können, sofern sie eine gute Durchdringung bei der gewünschten Zielgruppe ausweisen, ein akzeptabler Wert sein. Oder anders formuliert: Wenn 300 Menschen sich eine Podcast-Episode über Das mongolische Kartoffel-Projekt anhören, ist das nicht zwangsläufig ein Armutszeugnis.

Alles auf Produktion

In einem der vorherigen Absätze habe ich gefragt, was genau der Skandal an der Geschichte sei. Ich möchte die (fraglos viel zu teuren) Podcasts sowie ihre Verantwortlichen weder in Schutz nehmen, noch gnadenlos grillen. Es ist fatal, wenn der Eindruck entsteht, Steuergelder würden versickern, und Bürger dürfen von Amtsträgern vollkommen zu Recht verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern erwarten. Ich habe einige Perspektiven dargelegt, wieso wie Das Arbeitsgespräch entweder Geldverschwendung oder aber zumindest legitime Informationsangebote gewesen sein könnten.

Das Arbeitsgespräch – Der Podcast mit Arbeitsminister Hubertus Heil

Das Arbeitsgespräch – Der Podcast mit Arbeitsminister Hubertus Heil

Der Podcast mit Arbeitsminister Hubertus Heil

Schließen möchte ich aber mit der Perspektive eines Podcast-Produzenten. Für die Podcasts sind offenbar üppige Budgets bereitgestellt worden. Haben die Schweizer und Deutschen Politiker bei ihren Podcasts alles auf Produktion gesetzt? Wo auch immer diese Gelder genau gelandet sein mögen, an einer Stelle waren sie vermutlich nicht: in der Distribution. Es ist eine ernüchternde Erfahrung, die viele Hobby-Podcaster, und offenbar auch unsere Politiker machen: einen tollen Podcast zu produzieren, reicht häufig nicht aus. Denn was bringt der schönste Podcast, wenn ihn niemand kennt?

Distribution ist ein wichtiger Faktor, der häufig unterschätzt wird. Wenn man es mit seinem Podcast wirklich ernst meint, sollte man sich am besten bereits vor dem Release Gedanken über Pressearbeit, Werbung, Gastauftritte, Multiplikatoren sowie Social Media Kampagnen machen. Wenn es also einen Skandal gegeben haben sollte, dann womöglich den, dass die Gewichtung zwischen Produktions und Distributionsaufwand nicht im richtigen Verhältnis stand.


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