Modelling-Mikrofon

Universal Audio SD-1 vs. Shure SM7B

21. Jun 2024 , aktualisiert: 2. Jul 2024

Seit Februar 2022 ist Universal Audio in den Mikrofonsektor eingedrungen. Das dynamische Mikrofon SD-1 des amerikanischen Herstellers erinnert stark an das Design des Shure SM7B. Mit einem Plugin soll das Mikrofon dieses sogar modellieren können. Lassen sich dadurch bei gleichem Klang knappe 100 Euro sparen?

Bild: shure / Universal Audio
Universal Audio SD-1 vs. Shure SM7B

Der renommierte Hersteller für Audio-Interfaces und Plugins Universal Audio hat sein Produktspektrum um Mikrofone erweitert, und diesen eine Besonderheit mitgegeben: Sie können mithilfe des Hemisphere Plugins andere berühmte Mikrofone nachmodellieren. Unter den wählbaren Klassikern ist auch eines dabei, dass zwar vermutlich aus markenrechtlichen Gründen nicht als solches benannt ist, aber unverkennbar das Shure SM7B darstellt.

SD-1 und SM7B – wie Yin und Yang

Wir knöpfen uns die beiden mal vor und wollen testen, wie nah das SD-1 an den Sound des unter Podcaster:innen sehr beliebten SM7B herankommt. Zunächst fallen natürlich Oberflächlichkeiten ins Auge: Das SD-1 ist in weiß gehalten, das SM7B schwarz. Beide sind zylindrisch und bestehen fast zur Hälfte aus einem schwarzem Schaumstoffüberzug als Popschutz. Beide sind in der Mitte mit der Gabel verbunden, die zum Stativgewinde führt. Das SD-1 ist mit 735 g genau 31 g leichter als das Vorbild von Shure (766 g). Beide in den Händen haltend, meine ich das deutlich wahrzunehmen. Schwere Mikrofone brauchen meistens auch starke (und teure) Stative – dass das SD-1 ein klein wenig leichter ist, fällt mir also schon mal positiv auf.

Shure SM7B und Universal Audio SD-1
Bild: podcast.de

Vergleich Aufbau und Design

Ein großer Unterschied im Aufbau ist der XLR-Anschluss: Beim Shure SM7B liegt die ausgelagerte XLR-Buchse parallel zum Stativgewinde. Das SD-1 hat die Buchse auf der Rück- bzw. Unterseite des Gehäuses. Vor- und Nachteile hiervon? Beim Shure SM7B sorgt dieser Aufbau dafür, dass Berührungen am angeschlossenen Kabel nicht so sehr ins Mikrofon übertragen werden. Dafür, so fällt mir beim Anschrauben am Mikrofonarm auf, kann der Stecker etwas gequetscht werden, wenn es zu wenig Platz zwischen XLR-Buchse und Stativgewinde gibt. Beim SD-1 ist das kein Problem. Wenn es das Mikrofonstativ, bzw. der Mikrofonarm zulässt, finde ich die Lösung des SM7B hier praktikabler. Das Kabel wird einfach nach unten abgeführt, beim SD-1 steht es hinten ab, bis man es mittels Clip oder Klett an einem Stativ entlangführen kann.

Auf der Rückseite des Mikrofons gibt es bei beiden Modellen Schalter für einen Hochpassfilter und eine Höhenanhebung. Beim SD-1 sind diese auch mit bloßen Händen zu bedienen, beim SM7B braucht man hierfür einen Schlitzschraubenzieher oder ähnliches. Wieder ein kleiner Pluspunkt für das SD-1.

Universal Audio SD-1 und Shure SM7B im Vergleich: Positionierung der XLR-Buchse
Bild: podcast.de

Hut ab! So sieht es unter dem Popschutz aus

Das Entfernen des Popschutzes beim SM7B ist unter Tonenginieuren in Musikstudios ein beliebter Trick, um noch etwas mehr Präsenz und Höhen aus dem dynamischen Mikrofon herauszukitzeln. Das geht auch beim Kollegen von Universal Audio. Nimmt man den Schaumstoffzylinder ab, kommt der Mikrofonkorb zum Vorschein, der die Membran und Tauchspule schützt. Auch hier orientiert sich das SD-1 im Design stark am Vorbild von Shure. Auffälig ist: Beim UA SD-1 liegt die Kapsel näher am Kopfende des Korbs. Damit hat man beim Einsprechen schon vom Bau her einen geringeren Lippenabstand. Das wirkt sich wiederum auf Eingangspegel, Nahbesprechungseffekt und allgemeine Präsenz des Klangs aus. Denn Schallquellen, die näher an der Kapsel liegen, werden lauter übertragen, haben mehr Bassanteile (bei Mikrofonen mit Nierencharakteristik besonders) und im Verhältnis weniger Hallanteile im Signal.

Das macht beide Mikrofone – SD-1 sowie SM7B – sehr geeignet für Sprachaufnahmen – auch in akustisch suboptimalen Räumen. Denn durch den Korb und den Popschutz lassen sie sich sehr nah besprechen. Stimmen können so möglichst hallfrei und klar aufgenzeichnet werden. Für Podcast-Aufnahmen lassen wir den Schaumstoff jedoch lieber auf dem Mikrofon.

Soundvergleich SD-1 und SM7B

Nachdem wir die Mikrofone von außen betrachtet haben und bevor wir uns anhören, wie sie im Vergleich klingen, werfen wir mal einen Blick aufs Datenblatt.

Spezifikation

Shure SM7B

Universal Audio SD-1

Richtcharakteristik

Niere

Niere

Frequenzbereich

50 - 20.000 Hz

50 - 16.000 Hz

Empfindlichkeit

-59,0 dB (1,12 mV)

-58 dB (1.3 mV)

Ausgangsimpedanz

150 Ohm

200 Ohm

Mit einer ganz leicht höheren Empfindlichkeit gegenüber dem Modell von Shure sollte das SD-1 also bei gleicher Vorverstärkung etwas mehr Output geben. Der genannte Frequenzgang des SM7B verspricht etwas mehr "Luft" im Bereich der höchsten Höhen. Nehmen wir noch den baulich veranlagten geringeren Lippenabstand beim SD-1 hinzu (siehe voriger Abschnitt), kommt die Frage auf: Ist das SD-1 einfach nur ein klein wenig lauter?

Hörtest - ohne Hemisphere Plugin

Zum Test habe ich beide Mikrofone am selben Gerät (Mackie DLZ Creator XS) mit der selben Gain-Vorstufe und ohne sonstige Signalverarbeitung angeschlossen. Beide Kapseln liegen so nah wie möglich beieinander – der Schaumstoffzylinder vom Shure SM7B ragt gegenüber dem SD-1 etwas weiter hervor, um die Positionen der Kapseln wirklich auf einer Linie zu halten, die ja beim UA Modell etwas weiter vorne im Korb liegt. Ohne Anspruch auf absolute Messgenauigkeit spreche ich genau in die Mitte zwischen beiden Mikrofonen und achte darauf, zu beiden einen ähnlichen Winkel zu behalten.

Merkwürdig: Beim Aufzeichnen und gleichzeitigem Abhören mit Kopfhörern hatte ich das Gefühl, dass mir das SD-1 mehr zusagt, als hätte es einen natürlicheren Klang als das SM7B. Am nächsten Tag mit frischen Ohren höre ich die Aufnahmen nochmal ab (diesmal ohne gleichzeitig zu sprechen) und meine, die feinere Auflösung der Höhen des SM7B wahrzunehmen, sowie auch die leichte Bassbetonung des SD-1 durch die weiter vorne liegende Kapsel. Dafür wirkt das SD-1 ein klein wenig druckvoller. Der Unterschied im Klang ist aber auch ein feiner. Ich bin mir nicht sicher, ob man im flüchtigen Vergleich überhaupt einen wahrnehmen würde.

Das Hemisphere Plugin soll den Klang des SM7B aus dem Signal des Universal Audio SD-1 modellieren können.
Bild: podcast.de

Hörtest - mit Hemisphere Plugin

Das Hemisphere Plugin soll den Klang des SM7B aus dem Signal des Universal Audio SD-1 modellieren können. Und tatsächlich: Wenn ich dieses auf der Spur des SD-1 einschalte, wird der Unterschied zum SM7B noch kleiner. Beide Spuren sind jetzt gleich laut gepegelt, um einen Vergleich möglichst unbeeinflusst von Lautstärke ziehen zu können. Je mehr ich höre und zwischen A und B hin- und herschalte, bleibt jedoch der Eindruck, dass das SD-1 sich etwas mehr zum tieffrequenten Ende des Frequenzspektrums legt. Das Shure wirkt dagegen ein klein wenig offener.

Und – vielleicht liegt es auch am Raum, meiner Stimme oder beidem – beide Mikrofone haben einen Frequenzbereich, den ich mittels EQ mit einer schmalen Bandbreite etwas absenken würde. Beim SD-1 sind es um die 4 kHz, beim SM7B um die 1,3 kHz. Hier nehme ich einen leichten Hang zur Resonanz wahr – aber wie gesagt ist mein Testaufbau nicht hunderprozentig wissenschaftlich und es kann hierfür viele andere Gründe geben als die Bauweise der Mikrofone.

Im Hemisphere Plugin gibt es drei Regler, die den Klang der Aufnahme noch weiter beeinflussen, und zwar Filter (Low Cut, Presence oder Both), Proximity (also Mikrofonabstand, hier auf einer Skala von -100 bis +100 mit 0 als Mittelstellung) und Axis, also Winkel (von 0 bis 180°). Mit dem Proximity-Regler gelingt es mir, durch etwas weniger virtuellen Mikrofonabstand die Bassigkeit des SD-1 auszugleichen. Schalte ich danach zwischen dem SD-1 und dem SM7B hin und her, gefällt mir der Klang des SD-1 immer besser. Irgendwo kommt mir im Vergleich das SM7B leicht "topfig" vor. Auch hier wieder der Disclaimer, dass dies eine subjektive Einschätzung in einem DIY-Testaufbau ist. Einzig die Höhen bleiben beim SM7B weiterhin feiner aufgelöst, luftiger, pur.

Hochwertig und preiswert

Mit einem Straßenpreis von 299,- Euro ist das Universal Audio SD-1 je nach Händler 90 bis 140 Euro günstiger als das legendäre Shure SM7B. Kann man also für den gleichen bewährten Klang locker 100 Euro sparen? Ich bin zu 85% überzeugt: Ja. Für Podcaster*innen ist das SD-1 sicherlich eine hervorragende Wahl – einfach nur als Hardware, und mit weiterer Aufwertung in Kombination mit dem Hemisphere Plugin. Wer das Budget hat, und wem eine feinere Höhenauflösung wichtig ist, sollte trotzdem zum SM7B greifen – nicht umsonst ist es seit vielen Jahren ein bewährtes Mikrofon für Sprachaufnahmen und Podcasts.

Die Unterschiede sind verschwindend gering und lassen sich mit einer nachträglichen Bearbeitung im Equalizer auf eine beinahe unhörbare Ähnlichkeit angleichen. Das hat Universal Audio gut hinbekommen und eine preiswerte Alternative zum Shure SM7B geschaffen.


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