Hardware Review
Vergleich RØDECaster Pro I und Pro II
Mit dem seit Juni 2022 erhältlichen RØDECaster Pro II verspricht der Hersteller nicht nur eine Weiterentwicklung des RØDECaster Pro von 2018, sondern sogar eine "Revolution". Was diesmal neu ist, und wie er im Vergleich zu seinem Vorgänger abschneidet, haben wir für euch ausführlich getestet.
Das RØDECaster (Pro I sowie Pro II) ist ein kompaktes Stück Hardware, das nahezu keine Wünsche offen lässt. Kontrolle und Anschlüsse für Mikrofone, externe Zuspielungen, Abhöre und Einspieler vereint es in einem übersichtlichen Aufbau aus Fadern, Pads, Volumenreglern und einem Touchdisplay. Dies haben beide RØDECaster gemeinsam. Uns aber haben vor allem die Unterschiede interessiert, die wir in einem direkten Vergleich von RØDECaster Pro I und Pro II erfahren konnten.
Immerhin liegen inzwischen knapp vier Jahre zwischen der Markteinführung des Pro und Pro II. Da ist gewiss eine Menge Nutzerfeedback beim australischen Hersteller eingegangen. Und es scheint, als habe RØDE davon einiges bei der Entwicklung des Pro II berücksichtigt – insbesondere auch die Funktionen des Geräts außerhalb von Podcast-Anwendungen, zum Beispiel für Streams, Video- und Musikproduktion. Daher nun auch der Beiname Integrated Audio Production Studio.
RØDECaster Pro II: Verarbeitung und Gehäuse
Das Vorgängermodell garantiert mit seiner Oberseite aus Aluminium Stabilität. Für uns bekommt das Pro II hier bereits leider einen Punktabzug für sein Kunststoffgehäuse. Der grundlegende Aufbau ist bei beiden Geräten gleich: Die Anschlüsse für Mikrofone, Kopfhörer, Netzteil und mehr befinden sich auf der Hinterseite. Auf der leicht geneigten Oberseite erfreuen sich Fader, Pads, Regler und Touchdisplay eines benutzerfreundlichen Abstands zueinander. Großer Pluspunkt für das Pro II: Auf der flach aufliegenden Unterseite gibt es jetzt 3'8-Zoll-Gewinde zur Befestigung an Mikrofonständer oder VESA-Bildschirmhalterungen. Der filzige Staubschutz unter den Fadern gefällt beim neuen Modell besser, die Pads und Faderkappen sind bei beiden Modellen von gleich guter Qualität. Insgesamt scheint RØDE beim Pro II ein paar materielle Einsparungen vorgenommen zu haben, um dafür eine wesentliche Komponente hochwertiger ausfallen zu lassen als beim früheren Modell.
Mikrofon-Vorverstärker (Preamps)
RØDE setzt beim Marketing des Pro II vor allem auf die "revolutionären" Vorverstärker, die tatsächlich auch Revolution Preamps™️ heißen. Laut Datenblatt versprechen sie 6,5 dBA geringeres Grundrauschen bei rund 21 dB mehr Gain Range im Vergleich zum vorigen Modell. Dadurch soll die Verwendung externer Vorverstärker auch für niedrigpegelige Mikrofone überflüssig werden. Auch der verträgliche maximale Eingangspegel liegt rund 13 dBA höher als beim Vorgänger. Dazu kommen Kopfhörerverstärker mit 250mW Ausgangsleistung. Die Impedanz der Kopfhöreranschlüsse ist sogar zwischen zwei Presets pro Anschluss wählbar, wobei die Werte darüber nicht angegeben sind. Ein drittes Preset gibt es übrigens für den Anschluss der hauseigenen Kopfhörer RØDE NTH-100, die wir im Mai 2022 getestet haben. Zwischenfazit: Die Vorverstärker des Pro II bieten mehr Verstärkung bei weniger Rauschen und damit ein dickes Plus. Das Rauschen ist beim Pro I, nämlich insbesondere bei Nutzung mit den dazugehörigen RØDE PodMics, ein ziemliches Ärgernis.
RØDECaster Pro | RØDECaster Pro II | |
Grundrauschen | -125 dBA | -131.5 dBA |
Vorverstärkung | 0 dB - 55 dB | 0 dB - 76 dB |
Dynamikbereich | 100 dBA | 113 dBA |
Eingangsimpedanz Vorverstärker | 600 Ω | 4000 Ω |
Leistung Kopfhörerausgang | 220 mW | 250 mW |
Anschlüsse
Beim Pro II wurden die vier XLR-Mikrofonanschlüsse erweitert. Zwar nicht um weitere Mic-Eingänge, sondern um Neutrik-Kombi-Buchsen, an denen sich auch 6,35mm-Klinkenstecker anschließen lassen (also zum Beispiel Instrumente und andere Audio-Geräte). Das gibt dem Pro II einen ordentlichen Schub in Richtung Multimedia-Anwendung. Wir vermissen allerdings die Verriegelung bei den XLR-Buchsen – ein Detail, welches dem Begriff "Pro"(-fessionell) beim alten RØDECaster also mehr gerecht wurde als jetzt beim Pro II. Den gleichen Punktabzug gibt es beim Pro II für das Netzteil. Dieses ist zwar leichter, wirkt über den USB-C-Stecker aber wesentlich empfindlicher und ist, anders als beim Vorgänger, nicht am Gerät verschraubbar. Gerade bei Verwendung des Geräts mit angeschraubten Stativen würden die Verriegelungen von XLR-Steckern und Netzteil eigentlich Sinn ergeben.
Alle Anschlüsse und Verbindungsmöglichkeiten des RØDECaster Pro II:
Vier XLR- und 6,35mm-Kombianschlüsse für Mikrofone und andere Audiogeräte
Vier 6,35mm-Kopfhöreranschlüsse
6,35mm Stereo Output (L, R)
Zwei USB-C-Anschlüsse (USB 3.0) (zur Verwendung als Audio-Schnittstelle, auch mit SSD-Festplatten als Speichermedium verwendbar)
microSD-Slot (zur Speicherung der Aufnahme)
RJ45 Buchse (Ethernet)
WIFI-Schnittstelle
15V Stromversorgung über USB-C-Anschluss mit eigenem Netzteil
Hardware und Bedienung
Das etwas größere Touchdisplay des Pro II kommt dem User mit seinem steileren Neigungswinkel entgegen. Das ergibt Sinn, denn in der Software warten eine Menge Funktionen, die über das Display gesteuert werden. Daneben befindet sich ein gerasterter endlos-Encoder, der die Bedienung der Software erleichtert (insbesondere der Pegel-Einstellungen der Preamps). Der Fader für die Lautstärkeregelung der Pads wurde beim Pro II wegrationalisiert. Dafür sind alle sechs verbleibenden physischen Fader sowie drei virtuelle Fader allen möglichen Inputs frei zuordenbar (Pluspunkt für das Pro II). Noch eine Erweiterung gibt es bei den acht Pads: Die lassen sich nun zwischen 8 Bänken umschalten – macht gleich 64 Knöpfe zum Abfeuern von Jingles, Einspielern und mehr (siehe Abschnitt "System-Software").
Einen saftigen Punktabzug müssen wir leider dem Pro II noch verpassen: Und zwar ist die deutsche Übersetzung der Software offenbar wörtlich umgesetzt worden. Dadurch muss man beim Konfigurieren meist um drei Ecken denken, um zu verstehen, welche Parameter gemeint sind. Diese werden normalerweise immer im Englischen verwendet, sodass es für uns keinen Sinn ergibt, sie zu übersetzen. Beispiel: "Drive" (von overdrive = Übersteuerung) wurde mit "Laufwerk" übersetzt, und die Leertaste heißt "Raum" (wegen space). Zudem wird es für Einsteiger schwierig, online Hilfe zu diesen Parametern zu finden, weil deren deutsche Pendants schlichtweg nirgendwo anders verwendet werden als im RØDECaster-Pro-II-System. Wir haben uns sogar ein kleines Vokabelheft dafür angelegt. Besser also, man lässt es einfach auf Englisch eingestellt.
System-Software des RØDECaster Pro II
Neben den Preamps liegt offensichtlich im System des Pro II die wahre "Revoultion" seines Vorgängers. Hier sind zahlreiche Einstellungen und Erweiterungen hinzugekommen, die wirklich Sinn ergeben und noch flexiblere Anwendungsmöglichkeiten anbieten. Freie Zuweisung von Eingängen und Fadern (inklusive Farbauswahl), eine große Palette von Voreinstellungen für verschiedene Mikrofontypen, sowie Optionen zu Multitrack- und Pre-Fade-Recording machen das Gerät wirklich zu einem vielseitigen Helfer in Podcast- und Multimediaumgebungen. Dabei ist trotzdem der Spagat zwischen niedrigschwelliger Verständlichkeit und erweiterten "Profi"-Optionen ganz gut gelungen, vor allem bei den Voreinstellungen zur Klangoptimierung der einzelnen analogen Eingänge (abgesehen von der deutschen Übersetzung).
Außerdem gibt es beim Pro II auch Effekte wie Pitch-Shift, Megaphon oder Hall und Echo. Die klingen durchaus brauchbar, verursachen keine wahrnehmbare Latenz und lassen sich sogar über die "Smart Pads" steuern. Apropros "Smart Pads": Diese können nun auch Mixer-Steuerungen übernehmen (z.B. Fades) und haben viele weitere Optionen verpasst bekommen. So lassen sich gespeicherte Samples und Einspieler ganz gezielt in die Podcast-Aufnahme einbauen, dank verschiedener Wiedergabe-Modi. Bei gut durchdachter Voreinstellung kann dies einiges an Nachbearbeitungszeit einsparen. Viele Pluspunkte also für die virtuellen Möglichkeiten des Pro II.
Summa Summarum
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht, eine kleinere Revolution ist das RØDECaster Pro II wohl doch. Vor allem die Vorverstärker und die detailreichen Software-Einstellungen machen das Gerät zu einem Produktions-Tool, das bei gezielter Konfiguration viele Aufgaben übernehmen und einiges leisten kann. Für Podcasts bewältigt es sogar sämtliche technischen Aufgaben, bis der Schnitt fällig wird. Wer es gekonnt einsetzt, wird sich mit klanglicher Nachbearbeitung kaum noch auseinandersetzen müssen, und hat bereits alle Intros, Outros, Einspieler und O-Töne im Programm. Der Preis liegt je nach Händler bei etwa 740, - € bis 800, - €. Dürften wir uns etwas wünschen, dann wäre es eine "Best-Of"-Mischung aus dem Pro und dem Pro II: Die Hardware des Vorgängers gepaart mit der Software des Pro II (plus Encoder und Stativgewinde). Eine durchdachte Evolution würde dann eine Revolution obsolet machen.
FAZIT: PRO
+ praktische Anschlussmöglichkeiten
+ leistungsstarke Preamps, weniger Rauschen
+ Bedienung mit Encoder
+ Presets und Effekte
+ Konfiguration der Pads
+ Routing- und Systemoptionen
+ Stativgewinde
FAZIT: KONTRA
- deutsche Übersetzung englischer Termini
- keine Verriegelung der XLR-Anschlüsse und des Netzteils
- Kunststoffgehäuse