Geteiltes Leid
Verschwörung und Missbrauch: Khesrau Behroz im Interview zum neuen Undone-Podcast
Therapeuten, Medien, Politik. Sie alle sitzen einer großen Verschwörung auf. Darum geht es im neuen Podcast von Undone. Im Interview mit podcast.de berichtete Khesrau Behroz von der Arbeit am Podcast 'Geteiltes Leid'.
Die Produktionsfirma Undone geht mit einem neuen Podcast an den Start. In der vierteiligen Serie geht es um Missbrauch, einen Skandal im Gesundheitssystem und, wie immer bei Undone, auch um uns als Gesellschaft. Dabei nimmt Geteiltes Leid eine Jahrzehnte alte Verschwörungserzählung ins Visier.
Im Mittelpunkt des neuen Podcasts stehen die damals noch Teenagerin Leonie, die zum Opfer angeblicher Therapiehilfe wurde, und ihre Eltern. Leonies Therapeutin war sich sicher, die Teenagerin sei rituellem, sexuellen Missbrauch ausgesetzt und dass die Täter ihre Gedanken kontrollierten. Dass das der Wahrheit entspricht, ist allerdings höchst fraglich. Die Eltern berichten von der jahrelangen Leidensgeschichte.
Im Interview mit podcast.de gibt Khesrau Behroz, Mitgründer von Undone und Produzent zahlreicher Erfolgspodcasts, einen Einblick in die Arbeit an Geteiltes Leid.
In eurem neuen Podcast 'Geteiltes Leid' geht es um eine Jahrzehnte alte Verschwörungserzählung. Welche Erzählung ist das genau?
Khesrau: Letztlich geht es um die Erzählung von satanischem, rituellem Missbrauch. Populär wurde die in den 80er Jahren in den USA während der sogenannten Satanic Panic. Aber sie besteht bis heute: in krasser Form bei rechtsradikalen Strömung wie QAnon. Oder eben als modernisierte, abgeschwächte Variante – mit neuen Begriffen – in den Köpfen einiger Personen in Psychotherapiepraxen, Krankenhäusern, Hilfezentren und auch der Politik.
Wie seid ihr auf das Thema aufmerksam geworden und wie seid ihr auf die Protagonisten, Leonie und ihre Eltern, gestoßen?
Khesrau: Unser Mitarbeiter Sören Musyal, der den Großteil des Podcasts recherchiert hat, hat ein Faible für solche Themen. Er interessiert sich seit Jahren für die Satanic Panic als Phänomen und hat seitdem immer wieder auch die Ausprägungen in Deutschland im Auge behalten. Auf die Protagonisten kamen wir durch Beratungsstellen, die sich um Opfer schädlicher Therapien und deren Angehörige kümmern. Eine davon ist False Memory Deutschland e. V..
Wie lange habt ihr an dem Projekt gearbeitet?
Khesrau: Grob beschäftigen wir uns seit drei Jahren mit der Thematik. Die Arbeit, ganz konkret an Geteiltes Leid, hat neun Monate gedauert.
Was genau bedeutet Mind Control?
Khesrau: Mit „Mind Control“ ist gemeint, dass es möglich sei, Menschen durch Folter, Drogen oder Rituale quasi zu brainwashen und letztlich so zu programmieren, dass sie bestimmte Befehle wie Automaten ausführen. Die Programme sollen von Sex über Mord bis hin zu Suizid reichen. Wissenschaftlich belegt ist das nicht.
Mit welchen rechtlichen Folgen haben die Verantwortlichen zu rechnen?
Khesrau: Das ist schwer zu sagen. Es geht hier um Psychotherapien, die vollkommen zurecht ein gut geschützter Raum sind. Das heißt, es ist sehr schwer, überhaupt einen Einblick in das Behandlungszimmer zu bekommen, geschweige denn Behandlungsfehler nachzuweisen. In jedem Fall braucht es die Kooperation der Opfer dieser Therapien, denn ohne die Aufhebung der Schweigepflicht durch sie gibt es keinerlei Handhabe. Bei den Untersuchungen der Klinik Littenheid in der Schweiz haben wir aber zumindest gesehen, dass es berufliche Konsequenzen für Behandelnde haben kann, wenn die sich von Verschwörungstheorien leiten lassen.
Welche Forderung formuliert der Podcast an Gesundheitssystem, Medien und die Politik?
Khesrau: Wir wollen zunächst mal eine Debatte anstoßen, die bisher abseits von Fachöffentlichkeiten kaum geführt wird. Im Gegenteil: Sie wird sogar aktiv unterbunden. Das zeigt die viel kritisierte Löschung der Sendung des ZDF Magazin Royale zur Satanic Panic. Wir haben während unserer Recherchen mehrfach gemerkt, dass sich Verantwortliche sehr schwertun, sich kritisch mit ihren eigenen Überzeugungen auseinandersetzen und Kritik mit dem Argument abblocken, man würde Betroffenen ihr Leid absprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Wir nehmen Betroffene in den Blick, die bisher vom System überhaupt nicht gesehen werden: Opfer schädlicher Psychotherapien.
Letztlich muss es auch darum gehen, das Vertrauen in Psychotherapien allgemein zu stärken. Der Bedarf wächst seit Jahren. Dazu gehört aber auch, Fehlentwicklungen anzusprechen.
In den Medien, zu denen wir ja auch gehören, gibt es immer noch und immer wieder Beiträge, die die Narrative der Verschwörungsgläubigen mehr oder weniger unkritisch übernehmen. Da werden dann Taten beschrieben, für die es – und das weiß man seit Jahrzehnten – keine Beweise gibt. Es scheint, als fehle da manchmal der Mut, kurz innezuhalten und zu fragen: Kann das wirklich so gewesen sein?
Hier geht's zum Podcast Geteiltes Leid, der am 15. November erscheint. Host und Autor ist die Kinder- und Jugendärztin Olga Herschel.
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