Podcaster
Episoden
23.12.2025
31 Minuten
Die Wienerin Lili Körber erzählt persönlich grundiert von einem
Paar, das nach New York auswandert. Stefan Hertmans widmet sich
einer berührenden platonischen Freundschaft zwischen zwei Männern.
Und Elisa Shua Dusapin beschreibt mit grosser Zartheit die
ambivalente Beziehung zweier Schwestern. Ein Roman, der vor 80
Jahren geschrieben wurde und erst heute erscheint: «Abschied von
gestern». Die Wienerin Lili Körber (1897-1982) erzählt darin
autobiografisch grundiert vom Exil. Schauplatz ist New York.
Dorthin konnte sich ein gutbürgerliches jüdisches Ehepaar um 1940
vor den Nazis flüchten. Aber vom alten Leben ist ihnen nichts
geblieben. Der Roman beginnt mit einer demütigenden Zimmersuche.
Die Ignoranz Menschen gegenüber, die alles verloren haben, ist
omnipräsent. Ein berührend zeitloses Buch über
Flüchtlingsschicksale, findet SRF-Literaturredaktorin Franziska
Hirsbrunner. Mit «Dius» legt der flämische Autor Stefan Hertmans
seinen vierten Roman in deutscher Übersetzung vor. Einmal mehr sei
Hertmans damit ein herausragendes Stück Literatur gelungen, findet
Felix Münger. Es schildert eine Freundschaft zwischen zwei Männern,
fernab von aller Erotik und Sexualität. Die beiden könnten
unterschiedlicher nicht sein – ein junger emotionaler Künstler und
ein etwas älterer Intellektueller, welcher der rationalen Analyse
zuneigt. Doch beide finden im Gegenüber jenen fehlenden Teil des
eigenen Ichs, der sie beide zu ganzen Menschen macht. Agathe,
Drehbuchautorin in New York, kehrt nach fünfzehn Jahren ins
französische Périgord zurück, um mit ihrer Schwester Véra das
Elternhaus auszuräumen. Neun Tage lang suchen die beiden Nähe – und
stoßen auf Distanz. Alte Erinnerungen brechen auf, an die Kindheit,
ans Schweigen. Denn Véra spricht seit ihrem sechsten Lebensjahr
nicht mehr. Elisa Shua Dusapin inszeniert ein Kammerspiel von
großer Intensität über die zerbrechliche Beziehung zweier
Schwestern. Ihr Stil ist knapp, elliptisch, voller Pausen. Das
Ungesagte wird zum Resonanzraum für Emotionen. Ein leiser,
eindringlicher Roman, der im französischen Sprachraum begeistert
aufgenommen wurde. Buchhinweise: Stefan Hertmans. Dius. Aus dem
Niederländischen von Ira Wilhlem. 352 Seiten. Diogenes, 2025. Lili
Körber. Abschied von gestern. Herausgegeben von Peter Graf. Aus dem
Englischen von Beate Swoboda. 320 Seiten. Das Kulturelle
Gedächtnis. Elisa Shua Dusapin. Damals waren wir unzertrennlich.
Aus dem Französischen von Andreas Jandl. 144 Seiten. Kein &
Aber, 2025.
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16.12.2025
25 Minuten
Gleich zwei grosse Namen vereinigt dieses BuchZeichen eine gute
Woche vor Weihnachten: Den des aktuellen Booker Prize-Träges David
Szalay und den der britischen Literaturikone Jane Austen. Vor einem
Monat gewann der 51jährige kanadisch-ungarisch-britische Autor
David Szalay den Booker Prize. Es ist der wichtigste britische
Literaturpreis, und Szalay bekam ihn für ein Buch, das im Original
den provozierenden Titel «Flesh» (menschliches Fleisch) trägt und
von einem vermurksten Männerleben erzählt. Der deutsche Titel, «Was
nicht gesagt werden kann», trifft es aber auch. Szalays Held ist
ein Mann ohne Worte. Er ist eine Leerstelle und eine
Projektionsfläche, insbesondere für die Frauen. Sein
Lone-Wolf-Gebaren gefällt ihnen – bis sie ihn wieder loshaben
wollen. Schillernd und schroff erzählt David Szalay davon, was es
heissen kann, ein Mann zu sein. Ihre Romane wie «Stolz und
Vorurteil», «Emma» oder «Überredung» haben sich in den
literarischen Kanon und auch in die Herzen vieler Lesenden
eingeschrieben. Doch Jane Austens Leben war nicht ganz so rosig,
wie die Happy Ends ihrer Bücher. Sie blieb bis zu ihrem frühen Tod
unverheiratet und kämpfte um Anerkennung für ihr Schreiben. Die
Graphic Novel von Austen-Expertin Janine Barchas, illustriert von
Isabel Greenberg bietet einen einzigartigen Einblick in Austens
Biografie. Wir lernen, wo Austen auf Gegenwind traf, wo sie
Inspiration fand und wo ihre Unterstützerinnen. leichter Einstieg
für angehende Austen-Fans und ein Muss für Austen-Begeisterte meint
Ariane Schwob. Buchhinweise: David Szalay. Was nicht gesagt werden
kann. Aus dem Englischen von Henning Ahrens. 384 Seiten. Classen,
2025. Janine Barchas und Isabel Greenberg. Jane Austen. Ihr Leben
als Graphic Novel. Aus dem Englischen von Eva Bonné. 144 Seiten.
Penguin, 2025.
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09.12.2025
29 Minuten
In seinem neuen Roman «Bevor ich alt werde» spürt der Schweizer
Autor Daniel Mezger einer existentiellen Frage nach. Und sein
österreichischer Namensvetter, Daniel Wisser, wirft mit seinem
neuen Buch «Smart City» einen Blick in eine mögliche Zukunft.
Würden Sie wissen wollen, wenn Sie eine unheilbare Krankheit in
sich tragen – oder würden Sie lieber im Ungewissen bleiben? Diese
Frage steht im Zentrum des Romans «Bevor ich alt werde» des
Schweizer Autors Daniel Mezger. Die Protagonistin Charlotte ist
Musikerin und stürzt sich auf Konzertbühnen ins volle Leben. Ihre
Mutter hingegen leidet an einer tödlichen Krankheit, die durch
Vererbung weitergegeben werden kann. Charlotte scheut den Test, der
ihr lähmende Gewissheit oder befreiende Klarheit verschaffen würde.
Aber spätestens mit Charlottes Kinderwunsch rückt die Krankheit
näher. «Bevor ich alt werde» ist ein intimes
Mutter-Tochter-Porträt, das Tim Felchlin vor allem wegen seiner
musikalischen Sprache überzeugt. NEUDA ist eine künstliche Stadt.
Abgeschirmt von der Umwelt gibt es dort all das, was heute in der
Politik diskutiert wird: Sicherheit, Nachhaltigkeit und vor allem:
keine Migration. Doch das hat seinen Preis. Die Bewohnerinnen und
Bewohner NEUDAS geben dafür einen Teil ihrer Freiheit und
demokratischen Grundrechte ab. Der österreichische Schriftsteller
Daniel Wisser spielt anhand seiner «Smart City» durch, wie die
Forderungen gewisser politischer Strömungen in der Realität
aussehen könnten. Michael Luisier bringt das Buch an den
Literaturstammtisch. Buchhinweise: Daniel Mezger. Bevor ich alt
werde. 336 Seiten. Atlantis, 2025. Daniel Wisser. Smart City. 416
Seiten. Luchterhand, 2025.
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02.12.2025
22 Minuten
Am Literaturstammtisch stellen wir heute drei Bücher vor, die von
einer Fachjury zu den lesenswertesten Büchern des Monats gekürt
worden sind: «Auf ganz dünnem Eis» von Peter Stamm, «Haus zur
Sonne» von Thomas Melle und «In der Tiefe des Tigris schläft ein
Lied» von Usama Al Shahmani. Die SRF-Bestenliste wird jeden Monat
von einer Fachjury bestimmt. Zur Jury gehören 50 Buchkritikerinnen,
Bibliothekare, Buchhändlerinnen, Literaturwissenschaftler und
Vertreterinnen von literarischen Institutionen. Der Schweizer
Schriftsteller Peter Stamm braucht nur wenige Worte, um ganze Leben
zu erzählen. Sein neuer Erzählband «Auf ganz dünnem Eis» versammelt
neun Geschichten, sprachlich klar und unverwechselbar. Die Figuren
in den Erzählungen stehen mitten im Leben, mitten im Alltag. Und
genau dort passiert das Überraschende: Stamm macht das Kleine
gross, das Unspektakuläre spektakulär, meint
SRF-Literaturredaktorin Jennifer Khakshouri. Der 50jährige deutsche
Schriftsteller Thomas Melle leidet seit jungen Jahren an einer
besonders schweren Form der bipolaren Störung. 2016 machte er seine
Krankheit mit einem furiosen Buch öffentlich. Mit «Die Welt in
Rücken» glaubte er, das Schlimmste hinter sich zu haben. Doch er
hatte sich getäuscht. Die Krankheit kam heftiger denn je zurück.
Das neue Buch zu Thomas Melles Erkrankung konzentriert sich auf die
enorme Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die auf eine Manie
folgt und gleitet in eine bitterböse Dystopie: Verzweifelten
Menschen bietet das Sozialamt einen Aufenthalt in einem Sanatorium
an, wo man ihnen ein paar Wochen lang alle Lebenswünsche erfüllt
und sie danach in den Tod entsorgt. Klug, unverblümt, oft auch
witzig stellt Thomas Melle in «Haus zur Sonne» Fragen, die alle
etwas angehen, findet Franziska Hirsbrunner. In seinem neuen Roman
erzählt der in Bagdad geborene und seit über 20 Jahren in der
Schweiz lebende Autor Usama Al Shahmani von Heimat, Herkunft,
Verlust und Versöhnung. Die Handlung: Der in Zürich lebende Israeli
Gadi reist ans Sterbebett seines Vaters. Zurück bleibt er mit einer
Tasche voll Aufzeichnungen. Beim Lesen entdeckt Gadi die verdrängte
Vergangenheit seines Vaters: ein jüdisches Leben im Irak, geprägt
von Ausgrenzung und Flucht. Ein wichtiges Buch, auch um das
aktuelle Zeitgeschehen zu verstehen, findet SRF-Literaturredaktorin
Annette König. Buchhinweise: Peter Stamm. Auf ganz dünnem Eis. 192
Seiten. S. Fischer, 2025. Thomas Melle. Haus zur Sonne. 320 Seiten.
Kiepenheuer & Witsch, 2025. Usama Al Shahmani. In der Tiefe des
Tigris schläft ein Lied. 224 Seiten. Limmat, 2025.
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25.11.2025
25 Minuten
Der Literaturstammtisch bespricht heute «Wir dachten, wir können
fliegen», einen Erzählband herausgegeben von Matthias Jügler mit
Geschichten zum Thema Artensterben, und «Heimat», einen Roman zum
Thema «Tradwives» von Hannah Lühmann. Der 41jährige deutsche
Schriftsteller und Herausgeber Matthias Jügler ist seit Kindheit
ein begeisterter Angler. Das Artensterben begegnet ihm bei seinem
Hobby immer wieder. Aber dass pro Tag 150 Arten aussterben, wusste
er nicht. Als Akt des Widerstands bat er 19 Autorinnen und Autoren,
über ein ausgestorbenes Tier oder eine ausgestorbene Pflanze zu
schreiben. Von T. C. Boyle (Goldkröte) über Charlotte Gneuss
(Mituhokko) und Kim de l’Horizon (Schuppenkehlmoho) bis hin zu
Caroline Wahl (Beutelwolf) steuerten die Angefragten wunderbare
Geschichten bei. Sie lassen Arten wiederauferstehen, vermitteln
aber auch ein Gefühl für den unwiederbringlichen Verlust. Zudem
sind sie auf witzige Art lehrreich. Eine Lektüre, die die Literatur
feiert, sehr viel Spass macht und zum Nachdenken anregt, findet
Franziska Hirsbrunner. Die deutsche Autorin Hannah Lühmann hat
einen Social-Media-Trend zum Thema ihres neuen Romans «Heimat»
gemacht: das der «Tradwives», also jener Frauen, die sich ihrer
Familie und nicht zuletzt ihren Männern unterordnen, Bilder und
Videos aus ihrem Alltag auf Instagram und TikTok posten. Im Roman
geht es um die junge Mutter Jana, die aufs Land zieht, dort auf
eine solche scheinbar «perfekte Hausfrau» trifft und sich von deren
Lebensstil mehr angezogen fühlt, als sie je von sich selbst gedacht
hätte. Ein hochaktuelles Buch, sagt Literaturredaktorin Katja
Schönherr. Buchhinweise: Matthias Jügler (Hrsg.) Wir dachten, wir
könnten fliegen. 256 Seiten. Penguin, 2025. Hannah Lühmann. Heimat.
176 Seiten. hanserblau, 2025.
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Über diesen Podcast
Der Literaturstammtisch im «BuchZeichen» gibt Buchempfehlungen,
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