Zwischen Euphrat und Tigris
Krieg, Flucht und Klimawandel im Zweistromland im Zweistromland
Podcaster
Episoden
18.08.2024
37 Minuten
„Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie
verboten.“
Dieser sehr bekannte Satz wird, je nach politischem Geschmack,
Marc Twain, Kurt Tucholsky, oder Emma Goldmann zugeschrieben. Mit
Blick auf die revolutionären Versprechungen in Nordosts...
Über diesen Podcast
Rojava bzw. Nordostsyrien: Eine kulturell und religiös sehr
vielfältige Region im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris und
gleichzeitig ein Autonomiegebiet in Syrien. Politisch kann es als
ein säkularer und demokratischer Versuch eines dritten Wegs
zwischen der Diktatur Bashar al-Assad und den islamistischen
Bewegungen betrachtet werden. Dort spiegeln sich auch einige der
großen Themen unserer Zeit: die Ursachen von erzwungener Migration,
der Umgang mit religiös motivierten Terrorist:innen, der Einsatz
von Wasser als Waffe im Angesicht des Klimawandels, moderne
Kriegsführung mittels Drohnen und die Frage nach der Form, dem Sinn
und der Zukunft von Demokratie. Im Sommer 2023 reisten wir in das
Gebiet, um uns diesen Fragen anzunähern. Vor Ort recherchierten wir
zu den spezifischen Themen Flucht, Krieg und Klimawandel. Diese
Podcastreihe verbindet die Geschichte und Ergebnisse dieser Reise
mit aktuellen Themen und Gesprächen mit Menschen aus der Region –
jene, die da geblieben sind, und jene, die nach Deutschland fliehen
mussten. Außerdem kommen wir mit Expert:innen aus Politik und
Wissenschaft ins Gespräch und ordnen Themenkomplexe und
-zusammenhänge ein. All diese Themen, das haben wir auf der Reise
gemerkt, sind mit großen Hoffnungen, aber auch viel persönlichem
Leid verbunden. Denn Syrien ist ein traumatisiertes Land. 13 Jahre
Bürgerkrieg und grauenhafte Terrorakte gegen die Zivilbevölkerung
sowie ein permanenter Ausnahmezustand haben in jedem Menschen
psychische und physische Spuren hinterlassen. Seit 2014 erlangte
die Region international große Aufmerksamkeit im Kampf gegen den
sogenannten Islamischen Staat ("IS"). In der Schlacht um die
syrisch-kurdische Stadt Kobanê wurden die Islamisten Ende Januar
2015 zum ersten Mal militärisch besiegt. Immer weiter konnten der
"IS" zurückgedrängt werden. Bis sie, 2019, ganz im Südosten in
Baghuz, in unmittelbarer Nähe der irakischen Grenze, endgültig
besiegt wurden. Der Blutzoll, den der 2015 gegründete
kurdisch-arabische Milizenverband „Syrian Democratic Forces“ (SDF)
für diesen Sieg zahlen musste, war enorm hoch. Etwa 11.000
Kämpfer:innen ließen ihr Leben in diesem Kampf. Für viele, vor
allem linkspolitische Menschen, ist Rojava / Nordostsyrien jedoch
mehr als der Kampf gegen den „IS“: Es ist Symbol für die Sehnsucht
nach tiefgreifenden, gesellschaftlichen Veränderungen, für die
Hoffnung auf Geschlechtergerechtigkeit, Basisdemokratie und eine
sozial-ökologische Transformation. Daher ist oft auch die Rede von
der „Rojava-Revolution“. Doch inwiefern können sich in einem von
Bürgerkrieg zerrütteten Land die Versprechen dieser „Revolution“
überhaupt realisieren lassen? Um zu verstehen, was in
Rojava/Nordostsyrien passiert, ist es also unerlässlich,
einen allgemeineren Blick auf das zerrissene Land Syrien zu werfen.
Der Krieg ist keineswegs vorbei. Es herrscht ein äußerst fragiles
Gleichgewicht verschiedener Kräfte; jederzeit kann die Lage
eskalieren. De facto ist das Land viergeteilt: Im Osten und Süden
sitzt der Diktator Bashar al-Assad wieder fest im Sattel. Der
Nordwesten, also die Region Idlib, wird von Haiʾat Tahrir
asch-Scham (HTS), einem islamistischen Zusammenschluss
verschiedener Milizen mit großer Nähe zu al-Qaida, beherrscht.
Außerdem hat die Türkei seit 2018 die Stadt und Region Afrin
völkerrechtswidrig besetzt und einen etwa 100 km langen und 30 bis
40 km breiten Streifen zwischen den Städten Tell Abyad und Ras
al-Ayn annektiert. Dort herrschen das türkische Militär und mit der
Türkei verbündete dschihadistische Milizen. Der Nordosten Syriens
wird von der Autonomen Administration Nord- und Ostsyrien
kontrolliert. Anders als die anderen Gebiete war diese Region für
uns zugänglich. Mit dieser Podcastreihe laden wir euch herzlich
dazu ein, gemeinsam mit uns die Konfliktdynamiken Syriens, aber
auch die Hoffnungen, den Alltag und die großen Herausforderungen,
vor denen die Autonome Administration Nord- und Ostsyrien steht,
kennen- und verstehen zu lernen.
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